Wir dokumentieren einen Offenen Brief von Galder Ruiz:
Ich heiße Galder Ruiz, ich bin 22 Jahre alt und wohne seit vier Monaten in Bremen. Am kommenden Montag muss ich gemeinsam mit 13 anderen wegen einer Anklage zur 'Verherrlichung des Terrorismus' vor das Spanische Sondergericht, die Audiencia Nacional, treten. Unsere Straftat? Unsere Solidarität!
30. Juni 2012. Im Rahmen des selbstorganisierten Stadtteilfestes, Zaharraz Harro, in der Altstadt von Vitoria-Gasteiz beteiligten sich die AnwohnerInnen an einem Solidaritätsmarsch für die Familien von politischen Gefangenen und im Exil Lebenden aus unserem Stadtteil. Mehr als 500 Menschen aus dem Baskenland sind als politische Gefangene weit weg von ihrer Heimat in Gefängnissen über das komplette spanische Staatsgebiet verteilt. 4 befinden sich in baskischen Gefängnissen in Haft, 389 in spanischen, 109 in französischen Justizvollzugsanstalten, 1 in England, 1 weiterer in Nordirland und in Portugal sowie 8 in ihren persönlichen Wohnungen. Es kann also keine Verwunderung stiften, dass wir diesen Menschen unsere Solidarität zeigen wollen.
Zaharraz Harro ist ein Stadtteilfest, dass sich auf Prinzipien der Selbstorganisation stützt und seit 2009 jährlich in der Altstadt von Vitoria-Gasteiz gefeiert wird. Alle diejenigen, die sich für einen kreativen, lebens- und farbenfrohen Stadtteil, der zivil ungehorsam ist und sich tatkräftig für sein Selbstbestimmungsrecht einsetzt, beteiligen sich an der alljährlichen Woche voller Aktivitäten jeglicher Art. So ist das Programm vielfältigst gestaltet mit Vorträgen, Spielen, Theater, Kunst, Musik, AGs u.v.m.. 2012 wurde der Vorschlag geäußert, im Namen der verschiedenen Kollektive des Stadtteils einen Solidaritätsmarsch für die Angehörigen der politischen Gefangenen und im Exil Lebenden zu organisieren. Am besagten Samstag waren wir mehr als 200 Menschen, die in einem fröhlichen Straßenzug und mit klaren Forderungen durch den Stadtteil zogen. Begleitet durch eine Musikgruppe organisierten die verschiedenen Kollektive „Ehrungen" (ein Gedicht und ein Geschenk) für alle Angehörigen.
Sechs Monate später wurde durch einen Artikel der spanischen Presse bekannt, dass das spanische Sondergericht, die Audiencia Nacional, den besagten Solidaritätsmarsch untersucht und von der Regierung die Identifizierung aller TeilnehmerInnen fordert. Die Vorladungen bei Gericht ließen nicht lange auf sich warten. Im Januar 2013 wurden 11 der Angehörigen sowie der Sänger der Musikgruppe die an dem Tag auftrat unter der Anklage der ´Verherrlichung des Terrorismus' nach Madrid geladen, um dort Aussagen über das Zeigen von Fotos der Gesichter ihrer Kinder, Eltern, FreundInnen und PartnerInnen zu machen. Zwei Monate später wurden zwei der Bertsolaris (Vorträger baskischer improvisierter Poesie) wegen ihrer Verse voller Solidarität, die sie am besagten Samstag im Juni 2012 vortrugen ebenfalls nach Madrid geladen. Außer ihnen wurde eine weitere Person als Verantwortliche für das Kollektiv Zaharraz Harro angeklagt. Ihre Anklage wurde jedoch zu späterem Zeitpunkt zurückgezogen. Und schließlich, im Mai 2013 wurde auch ich nach Madrid geladen, um mich wegen derselben Anklage sowie wegen meiner Arbeit als öffentlicher Sprecher von Zaharraz Harro zu verteidigen.
Im Dezember 2013 stellte die Staatsanwaltschaft ihre offizielle Anklage vor: 18 Monate Gefängnisstrafe sowie 8 Jahre Berufsverbot in öffentlichen Institutionen für alle 14 Angeklagten. Nächste Woche, am 24. und 25. Februar 2014 werden wir in Madrid vor der Audiencia Nacional stehen. Unsere Solidarität steht vor Gericht. Zur Zeit warten mehr als 300 baskische politische AktivistInnen auf Urteile des spanischen Sondergerichts.
Aber eins ist klar: Solidarität ist kein Delikt! Im Gegenteil, wir werden unsere vermeintlichen Delikte bekräftigen: Wir werden weiterhin gemeinsam Stadtteilfeste, die für alternative Gesellschaftsformen kämpfen, feiern und weiterhin unsere Solidarität all denjenigen ausdrücken, die unter Repression stehen. Wir haben genug! Diese Gerichtsverfahren werden uns nicht von unserem Weg abbringen. Tropfen um Tropfen sind wir die Flut, die durch Solidarität, Lebensfreude und menschennahe Arbeit in unserem Stadtviertel wieder Leben in diese Wüste der Repression bringt.
Schluss mit politisch motivierten Gerichtsverfahren!
Bremen, 19. Februar 2014.