Garmisch-Partenkirchen, den 07.06.2015
Der staatliche Umgang mit den Anti-G7-Protesten am heutigen Sonntag hat gezeigt, dass die versammlungsfeindliche Haltung in Bayern keine Grenzen kennt. Nachdem der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung über das faktische Verbot des Sternmarschs bis in die Nacht hinausgezögert hatte, um eine Verfassungsbeschwerde dagegen zu unterbinden, setzten die Einsatzkräfte ab dem frühen Morgen die vollständige Abschirmung der G7-Teilnehmer*innen vor kritischer Bevölkerung im Großraum Garmisch-Partenkirchen durch.
In der Nacht zum heutigen Sonntag hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) die Beschwerde gegen das Verbot des Sternmarsches abgewiesen. Mit seiner Entscheidung untersagte der BayVGH sogar die vom Verwaltungsgericht München noch zugelassene Alibi-Demonstration in Sicht- und Hörweite des Tagungsortes: Selbst der minimale Symbolprotest einer Delegation von 50 akribisch durchleuchteten G7-Kritiker*innen stellt in den Augen der bayerischen Justiz eine nicht zu duldende Meinungsäußerung dar.
Damit hat das Gericht die prinzipiell demonstrationsfeindliche Politik in Urteilsform gegossen, die in den letzten Wochen von Politiker*innen und Behörden mehr als eindeutig ausgegeben worden war. Eine Glanzleistung in Sachen Grundrechtsfeindlichkeit hatte Innenminister Joachim Herrmann vollbracht, der am Samstag gegenüber der Passauer Neuen Presse die versammlungsrechtsfreie Zone um Schloss Elmau unter dem
Verweis auf die Größe des Bundeslands gerechtfertigt hatte: „Bayern hat knapp über 70.000 Quadratkilometer. Nur vier davon sind für Demonstranten gesperrt. Da kann niemand von einer zu großen Einschränkung sprechen."
Die Einsatzkräfte vor Ort übernahmen es, diese vorgegebene Linie in die Praxis umzusetzen. Ab den frühen Morgenstunden waren Zehntausende von Polizist*innen unterwegs, um jede kleine Spontandemo mit einem aggressiven Aufgebot einzuschüchtern und zu behindern. Selbst kleinste Blockadepunkte wurden innerhalb kürzester Zeit durch umfassende Gewahrsamnahmen beendet, und die Polizei versuchte, alle Ansammlungen von Aktivist*innen durch massenhafte Personalienfeststellungen einzuschüchtern. Immer wieder wurden Gruppen von Menschen, die ihren Protest gegen den G7-Gipfel äußern wollten, eingekesselt - unabhängig davon, ob sie sich auf dem Weg zum Tagungsort oder innerhalb Garmischs befanden. Dutzende von Demonstrant*innen wurden für einige Zeit in die Gefangenensammelstelle (Gesa) verbracht und teilweise einer Erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen. Zwei Betroffene, die bereits am Samstag in Gewahrsam genommen worden waren, werden erst am Montag Abend auf freien Fuß kommen.
Das rigide Vorgehen der staatlichen Repressionsorgane beweist einmal mehr das mehr als fragwürdige Grundrechteverständnis von Polizei und Justiz, das sich in den vergangenen Wochen immer klarer herauskristallisiert hatte. Dieser Mangel an Rechtsstaatlichkeit hatte inzwischen sogar die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) auf den Plan gerufen, die Beobachter*innen nach Garmisch-Partenkirchen entsandt hatte. Diese informierten sich unter anderem in der Gefangenensammelstelle über die Haftbedingungen sowie bei den Rechtsanwält*innen des Legal Team, um sich einen Einblick in die Menschenrechtssituation in Bayern zu verschaffen.
In jedem Fall ist für den morgigen Tag mit einer Fortsetzung der repressiven Einsatztaktik und der flächendeckenden Kriminalisierung zu rechnen. Der Ermittlungsausschuss zum G7 protestiert entschieden gegen die Verbannung unliebsamer Kritik aus dem Blickfeld des Gipfeltreffens. Wir fordern ein sofortiges Ende der Kriminalisierung der Protestierenden, die Freilassung der noch in Gewahrsam befindlichen Aktivist*innen und die Einstellung aller Ermittlungsverfahren.
Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung:
01522-4582715
Der Ermittlungsausschuss zum G7 besteht aus bundesweiten Rote-Hilfe-, EA- und anderen Rechtshilfestrukturen. Er kümmert sich um linke Aktivist*innen, die in Gewahrsam oder festgenommen wurden, und vermittelt bei Bedarf solidarische Anwält*innen des Legal Teams.