Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Aktion und Kunst im öffentlichen Raum.
Ihr könnt die Zeitung im Bahnhofsbuchhandel kaufen oder im Literaturvertrieb bestellen. Mitglieder bekommen die Zeitung zugeschickt.
Außerdem ist sie wie alle Ausgaben seit 3/2011 auch als PDF-Download verfügbar.
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Die Nürnberger Psychiaterin und politische Aktivistin Banu Büyukavci wurde im Juli 2020 wegen der „Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung“ nach dem umstrittenen Gesinnungsparagrafen 129b StGb verurteilt.
Über drei Jahre nach Ende des sich über Jahre hinziehenden Münchner Kommunistenprozesses gegen Mitglieder der TKP/ML droht Banu Büyükavci erneut die Ausweisung, welche vom „Landesamt für Asyl und Rückführungen“ (LfAR) erteilt wurde.
Der erste Versuch vor zwei Jahren konnte durch eine große Öffentlichkeitkampagne verhindert werden.
Banu Büyükavci hat nun gegen den skandalösen Ausweisungsbescheid Klage eingereicht. Dennoch weiß sie, wie mühsam der Kampf sein wird. Es ist möglich, dass die institutionelle Verfolgung niemals ein Ende nimmt und immer wieder ihr Bleiberecht infrage gestellt wird, weil es in der Hand deutscher Behörden liegt. Würde sie politisches Asyl in der BRD beantragen, bestünde die Gefahr, dass die Drangsalierungen durch die bundesdeutsche Verwaltung fortgesetzt werden und ihre Rechte immer wieder mit Füßen getreten werden, um das Verhältnis der BRD zum Erdogan-Regime politisch nicht zu gefährden. Entsprechende Befürchtungen teilte sie auf einer Veranstaltung in Nürnberg, wo sie das Buch „Meine Zelle war ein großer Garten - Der Fall der türkischen Ärztin und Kommunistin Banu Büyükavci“ vorstellte.
Im Nachgang einer Blockade des Kohlekraftwerks Neurath im November 2021 laufen mehrere Gerichtsverfahren gegen Aktivist*innen. Nachdem im ersten Prozess eine Haftstrafe ohne Bewährung verhängt wurde, sind für die anderen Angeklagten ebenfalls klare Gesinnungsurteile zu erwarten. Die dritte Kohlekraftgegnerin steht ab 25. September 2023 vor dem Amtsgericht Grevenbroich.
Am 5. November 2021 hatten rund 40 Klimagerechtigkeitsaktivist*innen die Gleise zum Kraftwerk Neurath in Nordrhein-Westfalen blockiert und über 14 Stunden hinweg die Kohlezufuhr verhindert. Schon die Räumung der Aktion verlief äußerst brutal: Einen der Menschen, die sich im Gleisbett einbetoniert hatten, verletzten die Einsatzkräfte durch ihr rücksichtsloses Vorgehen und verweigerten eine angemessene medizinische Versorgung. Die Polizei wandte den als „Lex Hambi“ berüchtigten neuen Passus im Landespolizeigesetz an und nahm zehn Blockierer*innen tagelang in Gewahrsam, um sie zur Preisgabe ihrer Identität zu zwingen. Acht der Kohlekraftgegner*innen saßen eine ganze Woche unter schikanösen Bedingungen in den Zellen der Polizeistation.
Der vierte Tag der Hauptverhandlung im aktuellen DHKP-C- Verfahren vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht (OLG) endete mit der polizeilichen Räumung des Gerichtssaales durch den vorsitzenden Richter Bachler. Dies wurde begründet mit der Verlesung einer politischen Erklärung durch die Prozessbeobachterin Eda Deniz Haydaroğlu, die sich zu diesem Zeitpunkt seit 117 Tagen im Hungerstreik befand. Die Verhandlung wurde daraufhin unterbrochen. Die 22-jährige Aktivistin bezeichnete in ihrer Erklärung das Verfahren als politischen Prozess und den Paragrafen 129b als Deckmantel für Willkür und Angriff auf demokratische Rechte. Sie forderte einen fairen Prozess, der mit der Einstellung des Verfahrens gegen Özgül Emre, Ihsan Cibelik und Serkan Küpeli enden müsse. Den drei linken Aktivist*innen wird vorgeworfen, das sogenannte Deutschland-Komitee der DHKP-C gebildet zu haben und daher Mitglieder einer „ausländischen terroristischen Vereinigung“ nach Paragraf 129b zu sein.
Was überall nachwächst, kann nicht aufgelöst werden!
Die Macron-Regierung hat gerade einen beispiellosen Schritt zur Unterdrückung der sozialen und ökologischen Bewegung unternommen. Am 21. Juni verfügte die Regierung die Auflösung der Bewegung „Soulèvements de la Terre“ (Aufstände der Erde), die aus mehr als 140.000 Unterstützer*innen und über 150 lokalen Komitees besteht. Das Verbotsverfahren ging mit zwei beispiellosen Verhaftungswellen von mehreren Dutzend Umweltaktivist*innen in ganz Frankreich am 5. und 20. Juni einher. Der Einsatz der Terror-Abwehr-Abteilung (SDAT) führte bisher zu zwei Inhaftierungen, der massive Polizeieinsatz gegen die Bewegung führte in den letzten Monaten zu mehreren Dutzend Schwerverletzten bei Demonstrationen.
Am Mittwoch, 14. Juni 2023 beginnt vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf der §129b-Prozess gegen Özgül Emre, Serkan Küpeli und İhsan Cibelik. Ihnen wird vorgeworfen, das sog. Deutschland-Komitee der kommunistischen DHKP-C zu sein – was in den Augen der deutschen Justiz als „terroristische Vereinigung im Ausland“ verfolgt wird.
Seit über einem Jahr sitzen die drei türkischen Kommunist*innen nun in deutschen Gefängnissen: Die Journalistin Özgül Emre wurde am 16. Mai 2022 am Heidelberger Hauptbahnhof verhaftet, am Abend darauf wurden ihr Genosse Serkan Küpeli und İhsan Cibelik, ein Musiker der bekannten türkischen Band Grup Yorum, in ihren Wohnungen in Hamburg und Bochum in Untersuchungshaft genommen. Verfolgt werden die drei Aktivist*innen nach dem Gummiparagraf 129b StGB, der sich gegen „terroristische Vereinigungen im Ausland“ richtet. Alle drei sollen führende Mitglieder kommunistischen DHKP-C sein, die in der Türkei und in der BRD kriminalisiert wird.
Wie so oft bei Verfahren nach § 129b sind die konkreten „Anklagepunkte“ gegen Özgül Emre, Serkan Küpeli und İhsan Cibelik denkbar grotesk, indem es sich um vollkommen legale Alltagsaktivitäten im Rahmen politisch-kultureller Arbeit handelt. Unter anderem werden ihnen die Teilnahme an linken Sommercamps vorgeworfen sowie die Organisierung von Kundgebungen, Veranstaltungen und antirassistischen Großkonzerten mit Grup Yorum.
Am heutigen Mittwoch wurden die Antifaschist*innen Lina E. und drei weitere Angeklagte zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Den Angeklagten wird vorgeworfen, im Zeitraum von 2018 – 2021 mehrfach Neonazis angegriffen zu haben. Sie sollen zudem einer „kriminellen Vereinigung“ nach Paragraf 129 StGB angehören. Lina E. wurde zu fünf Jahren und drei Monaten verurteilt, die weiteren Angeklagten erhielten Haftstrafen von zweieinhalb Jahren, drei Jahren sowie drei Jahren und drei Monaten.
Mit dem heutigen Urteil endet ein politisch motivierter Prozess, der von vornherein zum Ziel hatte, die Angeklagten stellvertretend für die antifaschistische Bewegung zu kriminalisieren und einzusperren.
So ist die Beweislage gegen die vier Betroffenen trotz 98 Prozesstagen als absolut dünn zu bezeichnen, was noch nicht einmal die Generalbundesanwaltschaft in ihrem Plädoyer zum Ende des Prozesses bestreiten konnte.
Die Anklage beruhte lediglich auf Indizien, Mutmaßungen und Konstruktionen der Repressionsorgane. Fragwürdige Anhaltspunkte wurden durchgängig zuungunsten der vier angeklagten Antifaschist*innen interpretiert, während entlastendes Material systematisch ignoriert wurde. Dass den teils offensichtlichen Lügen und widersprüchlichen Angaben des eigens bemühten Kronzeugen eine zentrale Rolle in der Beweisführung zukommt, ist ein weiterer Beleg dafür, wie wenig reales Beweismaterial das Oberlandesgericht als Basis für das politisch gewollte Urteil in der Hand hatte.
Am Mittwoch, 31. Mai 2023 wird das Oberlandesgericht Dresden das Urteil im Prozess gegen die Antifaschistin Lina und drei weiteren Genossen verkünden. Die Bundesanwaltschaft hat Haftstrafen von bis zu acht Jahren gefordert, obwohl sich in den jahrelangen ausufernden Ermittlungen nach § 129 („kriminelle Vereinigung“) keine klaren Beweise finden ließen. Angesichts des extremen Verfolgungseifers und der Vorverurteilungen, die das Gericht bereits im Verlauf des Prozesses zeigte, ist mit hohen Strafen zu rechnen.
Mit der kommenden Urteilsverkündung endet ein politischer Mammutprozess, der sich seit seiner Eröffnung am 9. September 2021 mit 98 Verhandlungstagen hinzog, ohne dass die Ermittlungsbehörden mehr als eine dünne Beweislage hätten zimmern können. Stattdessen beruht die Anklage weiterhin auf Indizien, Mutmaßungen und Konstruktionen der Repressionsorgane. Während fragwürdige Anhaltspunkte durchgehend zuungunsten der vier angeklagten Antifaschist*innen interpretiert wurden, wurde entlastendes Material systematisch ignoriert. Dass den teils offensichtlichen Lügen und nachweislich widersprüchlichen Angaben des eigens bemühten Kronzeugen eine zentrale Rolle in der Beweisführung zukommt, zeigt, wie wenig reales Beweismaterial das Oberlandesgericht als Basis für das politisch gewollte Urteil in der Hand hat.
Mit einer bundesweiten Razzia am 24. Mai 2023 haben die Repressionsbehörden die Verfolgungen gegen die Klimabewegung weiter verschärft: Betroffen war erneut die „Letzte Generation“, gegen die das Bayerische Landeskriminalamt (BLKA) und die Generalstaatsanwaltschaft München ein Verfahren nach § 129 StGB („kriminelle Vereinigung“) eingeleitet haben. Federführend ist dabei die „Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus“ (ZET).
Am frühen Morgen des 24. Mai 2023 durchsuchten vermummte Polizeieinheiten insgesamt 15 Wohnungen und Geschäftsräume in sieben Bundesländern. Im Visier der Razzia waren vor allem die finanziellen Grundlagen der Klimaschutzorganisation, weshalb zwei zentrale Konten beschlagnahmt wurden. Auch weitere Infrastruktur war von der Polizeiaktion betroffen: Neben den Mailadressen und -verteilern wurde auch die Homepage der „Letzten Generation“ gesperrt, und die ZET platzierte auf der Startseite eine Warnung vor Spenden an die Organisation. Dieser Text sorgte inzwischen für Furore, erklärte die ZET doch darin: „Die Letzte Generation stellt eine kriminelle Vereinigung gemäß §129 StGB dar!“
„Diese Vorverurteilung während eines laufenden Ermittlungsverfahrens stellt einen klaren Verstoß gegen rechtsstaatliche Minimalstandards dar, indem die ZET nicht einmal mehr ein Gerichtsverfahren abwartet.“, merkte Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V. an. „Die laufende Hetze gegen die Klimagerechtigkeitsbewegung erreicht damit ein neues Niveau.“
Wie bereits im letzten Jahr hat die Berliner Polizei eine Allgemeinverfügung erlassen, in der am 8. und 9. Mai, dem Zeitpunkt der Feierlichkeiten zur Befreiung vom deutschen Faschismus, u.a. das Zeigen der Flagge der ehemaligen Sowjetunion untersagt wurde.
Die Verfügung ist so unbestimmt gehalten, dass es der Polizeiwillkür vor Ort, zum Beispiel bei den jährlichen Feierlichkeiten am Sowjetischen Ehrenmal, Tür und Tor öffnet, um gegen antifaschistische Demonstrant*innen vorzugehen.
Gegen die Verfügung hat die DKP Berlin Widerspruch eingelegt und ein Eilverfahren beim Verwaltungsgericht Berlin beantragt, welches erst im Laufe des gestrigen Tages negativ entschieden wurde. Die Kundgebung wurde durch das polizeiliche Auftreten behindert und der DKP mit der Beschlagnahmung ihrer Fahnen gedroht.
Hierzu erklärt Anja Sommerfeld, Mitglied im Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.:
"Das Verbot der Fahne der ehemaligen Sowjetunion ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht von Millionen Menschen, die im Kampf gegen das Nazi-Regime ihr Leben verloren haben, unabhängig davon ob sie nun aus Russland oder anderen Ländern der Sowjetunion kamen. Das Verbot ist zudem ein Schlag gegen die politischen Grundrechte und die Meinungsfreiheit. . Mit dieser Verfügung wird die öffentliche Erinnerung an die Verdienste der Sowjetunion bei der Befreiung kriminalisiert. Wir fordern ein Ende der Angriffe auf die Gedenkfeiern zum 8. und 9. Mai, die in anderen Ländern gesetzliche Feiertage sind. Unsere Solidarität gilt allen Antifaschist*innen, die durch die polizeilichen Maßnahmen Repression erfahren haben."
Die Repressionsangriffe gegen Freiburger Radio Dreyeckland gehen weiter: Wie der Sender heute bekanntgab, hat die Staatsanwaltschaft Karlsruhe Anklage gegen einen Journalisten erhoben, der im Sommer 2022 einen Beitrag zum linksunten-Verbot verfasst hatte.
Bereits am 17. Januar 2023 hatten die staatlichen Repressionsorgane deutlich gemacht, dass Pressefreiheit nicht für unbequeme Medien gilt. Polizeieinheiten führten stundenlang Hausdurchsuchungen in den Wohnungen zweier Radiomitarbeiter in Freiburg durch, wobei sie zahlreiche Datenträger spiegelten und beschlagnahmten. Auch in die Räume von Radio Dreyeckland drangen Beamt*innen ein, und Beschlagnahmungen konnten nur mit Mühe abgewendet werden. Anlass war eine Kurzmeldung, die darüber informierte, dass das Verfahren gegen die Internetplattform linksunten.indymedia wegen der vermeintlichen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ eingestellt sei. Dass unter dem Beitrag ein öffentlich zugängliches Archiv von linksunten-Artikeln verlinkt war, nahm der Staatsanwalt zum Anlass, das Radio und seine Mitarbeiter*innen ebenfalls zu kriminalisieren.
Während das Verfahren gegen den Verantwortlichen im Sinne des Presserechts inzwischen eingestellt wurde, muss der Verfasser nun mit einem Prozess rechnen.