Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Aktion und Kunst im öffentlichen Raum.
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Außerdem ist sie wie alle Ausgaben seit 3/2011 auch als PDF-Download verfügbar.
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Göttingen, 28.07.2015
Am heutigen Dienstag endete in Stuttgart der 129b-Prozess gegen vier türkische Linke, denen Mitgliedschaft in der DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei - Front) vorgeworfen wird, mit hohen Strafen: Die AktivistInnen wurden als "Kader" der kriminalisierten linken Organisation eingestuft und zu Haftstrafen zwischen 4 Jahren 9 Monaten
und 6 Jahren verurteilt. Mit diesem Urteil leistet die Justiz der BRD offene Schützenhilfe in dem Krieg, den die Erdogan-Regierung aktuell gegen die linke kurdische und türkische Opposition führt. Dass die Verhältnisse, in denen in der Türkei Linke zu TerroristInnen erklärt werden, völlig von der Staatsraison eines autoritären Regimes abhängt, zeigen die nahezu 1000 Verhaftungen, die es allein in den letzten zwei Wochen in der Türkei gab.
Göttingen, 25. 07.2015
Am kommenden Dienstag, 28. Juli 2015 geht in Stuttgart der Prozess gegen vier Angehörige der Anatolischen Föderation zu Ende, denen Mitgliedschaft in der linken türkischen Gruppierung 'DHKP-C' vorgeworfen wird. Muzaffer Dogan, Yusuf Tas, Sonnur Demiray und Özgür Aslan waren am 26. Juni 2013 im Zuge einer internationalen Großrazzia gegen linke türkische Vereinsstrukturen verhaftet worden und befinden sich seitdem in Isolationshaft. Bei den Aktivitäten, die den Angeklagten vorgeworfen werden, handelt es sich um vollkommen legale Tätigkeiten im politischen und kulturellen Bereich wie Informationsarbeit, Spendensammlungen und die Organisierung von Musikveranstaltungen, darunter vor allem ein Großkonzert mit der beliebten türkischen Band 'Grup Yorum'.
Die Bundesanwaltschaft fordert Haftstrafen von bis zu sechseinhalb Jahren.
Dass derartige linke Arbeit kriminalisiert werden kann, ist einzig dem Gummiparagrafen 129b zu verdanken, der sich hier erneut als staatliche Allzweckwaffe gegen die migrantische Linke zeigt.
Göttingen, 21.07.2015
Der absurde Prozess, der am 20. 07. 2015 wegen des angeblich strafbaren Zeigens von Symbolen der Freien Deutschen Jugend (FDJ) geführt wurde, endete – wie erwartbar – mit einem Freispruch.
Schon seit Monaten führt die Münchener Staatsanwaltschaft einen grotesken Feldzug gegen die FDJ, der mittlerweile schon zu 21 Ingewahrsamnahmen, mehreren Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen geführt hat.
Die FDJ ist eine 1936 im Exil gegründete Widerstandsorganisation der ArbeiterInnenbewegung. Nach der militärischen Niederlage des Nationalsozialismus existierten zwei unabhängige Organisationen in Ost und West. Die West-FDJ wurde im Zuge des Kalten Krieges und der Kommunistenverfolgung in der BRD 1951 verboten. Die Ost-FDJ war – auch nach dem Anschluss der DDR – von diesem Verbot nie betroffen. Dennoch versucht die Münchener Staatsanwaltschaft in einer offensichtlich absurden Auslegung der Gesetzeslage, die heute existierenden Gruppen anhand des FDJ-Verbotes von 1953 zu kriminalisieren. Dabei geht es ihr offensichtlich nicht um vergangene Schlachten der Geschichte, sondern darum, aktuell die Aktivitäten einer linken, antifaschistischen und antirassistischen Organisation zu bekämpfen.
Deutschland: Festnahme von Ahmet C. wegen Terrorismusvorwurfs
Bei einer schweren Explosion in der Stadt Pirsûs (türk.: Suruc) nahe der syrischen Grenze wurden in den frühen Mittagsstunden mindestens 30
Menschen getötet und Dutzende Menschen verletzt. Nach Angaben der kurdischen Nachrichtenagentur ANF soll ein Selbstmordattentäter des IS
diesen Anschlag auf eine Versammlung der Föderation der Sozialistischen Jugendverbände der Türkei verübt haben. Etwa 300 Jugendliche waren im Kulturzentrum Amara zusammengekommen, um über den Wiederaufbau der durch die IS-Terroristen zerstörten Stadt Kobanê zu diskutieren und anschließend dorthin zu reisen. Bereits auf dem Weg zu diesem Treffen war es zu Provokationen und Festnahmen durch Polizeikräfte gekommen.
Gleichzeitig haben Mitglieder des IS versucht, in der Nähe einer Schule im Süden von Kobanê ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug zur Explosion zu bringen. Die Volksverteidigungseinheiten der YPG jedoch konnten diesen geplanten Anschlag verhindern.
Während kurdische Verteidigungskräfte seit einem Jahr einen erbitterten Widerstand gegen die Terrororganisation Islamischer Staat führen,unterstützt das NATO-Mitglied Türkei das Vorgehen dieser Banden, um das fortschrittliche Selbstverwaltungsprojekt von Rojava zu Fall zu bringen.
Doch statt die Bewohner*innen von Rojava und deren Verteidigungskräfte YPG/YPJ zu unterstützen, hat sich außerdem die Bundesregierung zur Bekämpfung des IS-Terrors „ihre" Kurden auserwählt: Seit Mitte letzten Jahres werden die Peschmerga der Autonomen Region Kurdistans im Nordirak mit Waffen beliefert und von Soldaten der Bundeswehr ausgebildet. Von dieser Militärhilfe profitiert insbesondere die dortige „Kurdisch Demokratische Partei" (KDP) des Präsidenten Masud Barzani, der mit der türkischen AKP-Regierung kollaboriert.
Wie anders verhält sich die Bundesregierung gegenüber der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), ihren Strukturen und ihren Aktivist*innen! Ungeachtet aller politischen Entwicklungen und Veränderungen hält auch diese Regierung an einer repressiven, undemokratischen und längst nicht mehr
nachvollziehbaren, absurden Vorgehensweise fest. Mit dieser Politik unterstützt sie letztendlich den blutigen Terror des IS und die Verfolgungsstrategie des türkischen Staates.
Das zeigt auch die neuerliche Verhaftung eines kurdischen Aktivisten.
Am 18. Juli wurde Ahmet C. während einer Wohnungsdurchsuchung festgenommen und am nächsten Tag dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe vorgeführt. Der Generalbundesanwalt wirft ihm die Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung im Ausland" (§ 129b StGB) vor. Er soll als PKK-Kader den Deutschland-Sektor Mitte von Juni 2013 bis Juni 2014 geleitet haben. Vorgeworfen werden ihm politische Aktivitäten, die in jeder x-beliebigen deutschen Partei alltäglich sind – wie das Organisieren von Veranstaltungen, Kampagnen oder Demonstrationen. Die im Haftbefehl formulierten Beschuldigungen gegen den 50-Jährigen gleichen Textbausteinen, weil sie genau so auch in anderen Haftbefehlen nachzulesen sind. Ausgetauscht sind lediglich Namen und Orte.
Ahmet C. wurde inzwischen von Karlsruhe in die JVA Köln verbracht.
Wir protestieren in aller Schärfe gegen dieses völlig inakzeptable Vorgehen des bundesdeutschen Strafverfolgungsapparates gegen die PKK und ihre Aktiven. Wir fordern die Einstellung aller Verfahren nach § 129b, die Freilassung aller politischen Gefangenen und Solidarität mit den Betroffenen. Unser Mitgefühl und unsere Trauer gilt den Familienangehörigen, Freund*innen und Genoss*innen der Anschlagsopfer.
AZADÎ e.V., Rechtshilfefonds für
Kurdinnen und Kurden in Deutschland, Köln
20. Juli 2015
Wir dokumentieren eine Solidaritätserklärung der unterzeichnenden Migrant*innenorganisationen:
An die Öffentlichkeit!
Die elf AktivistInnen der ATIK wurden am 15. April mithilfe einer zeitgleich geführten Operation festgenommen. Die Erlaubnis für eine Ermittlung gegen diese Personen erteilte das deutsche Justizministerium bereits im Jahr 2012. Den in Deutschland, Griechenland, Frankreich und der Schweiz festgenommenen Personen wird vorgeworfen, dass manche von ihnen in der Türkei Verfahren wegen der Mitgliedschaft in der TKP/ML hätten, manche längere Zeit in der Türkei im Gefängnis gewesen seien und manche in Deutschland im Namen der TKP/ML agieren würden. Sieben der festgenommenen Personen sitzen derzeit in den Justizvollzugsanstalten in Augsburg, München, Kempten, Landshut, Nürnberg und Kaisheim in Einzelzellen und sind somit der vollkommenen Isolation ausgesetzt. Den in Haft befindlichen Personen wurde selbst das Führen von Gesprächen verboten, sie können maximal für eine halbe Stunde alleine zum Hofgang. Somit befinden sie sich 23,5 Stunden am Tag in einer Zelle und alleine. Familienbesuche finden nur unter Obacht der Polizei, für eine kurze beschränkte Zeit und hinter Glasfenstern statt. Unter den selben Umständen finden auch die Rechtsanwaltsbesuche statt und der Briefverkehr, den die/ der MandantIn zu ihrem/ seinem Rechtsanwalt pflegt, wird ebenfalls kontrolliert.
Am 31.3.2012 gingen in Frankfurt/M. mehrere Tausend Menschen auf die Straße, um gegen Kapitalismus und die autoritäre Krisenpolitik zu demonstrieren. Schon nach kurzer Zeit versuchte die Polizei die Demonstration brutal zu spalten. Dazu kesselte sie schließ?lich ca. 500 Demonstrant_innen, sodass die Demonstration nicht weiter laufen konnte. Einige der Demonstrierenden wurden bis weit nach Einbruch der Dunkelheit auf der Kreuzung gehalten. Zudem wurden die Leute auf Gefangenensammelstellen im gesamten Rhein-Main-Gebiet verteilt und dort
bis in die frühen Morgenstunden eingesperrt.
Eine betroffene Genossin, die neun Stunden von der Polizei festgehalten wurde, klagte gegen dieses Vorgehen. Im Juli 2013 bekam sie vor dem Landgericht Frankfurt Recht: Der Kessel und die Verbringung in Polizeigewahrsam waren unrechtmäßig, das Ermittlungsverfahren gegen sie haltlos (mehr dazu: https://linksunten.indymedia.org/de/node/92233 ). Zu Beginn diesen Jahres war eine weitere Klage erfolgreich: Ein Genosse klagte unter Verweis auf das erwähnte Urteil auf Entschädigung. Die Staatskasse wurde so gezwungen mehrere hundert Euro an den Kläger zu zahlen. Und das Beste: Darauf haben alle Anspruch, die unrechtmäßig im Kessel waren!
Garmisch-Partenkirchen, den 07.06.2015
Der staatliche Umgang mit den Anti-G7-Protesten am heutigen Sonntag hat gezeigt, dass die versammlungsfeindliche Haltung in Bayern keine Grenzen kennt. Nachdem der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung über das faktische Verbot des Sternmarschs bis in die Nacht hinausgezögert hatte, um eine Verfassungsbeschwerde dagegen zu unterbinden, setzten die Einsatzkräfte ab dem frühen Morgen die vollständige Abschirmung der G7-Teilnehmer*innen vor kritischer Bevölkerung im Großraum Garmisch-Partenkirchen durch.
In der Nacht zum heutigen Sonntag hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) die Beschwerde gegen das Verbot des Sternmarsches abgewiesen. Mit seiner Entscheidung untersagte der BayVGH sogar die vom Verwaltungsgericht München noch zugelassene Alibi-Demonstration in Sicht- und Hörweite des Tagungsortes: Selbst der minimale Symbolprotest einer Delegation von 50 akribisch durchleuchteten G7-Kritiker*innen stellt in den Augen der bayerischen Justiz eine nicht zu duldende Meinungsäußerung dar.
Göttingen, 07.06.2015
Anlässlich des G7-Gipfels haben bayrisches Innenministerium und Polizei mit einem nicht anders als militärisch zu nennenden Aufgebot das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit außer Kraft gesetzt. Hubschrauber mit Wärmebildkameras, Panzer, Wasserwerfer, Pferdestaffeln, über 24000 PolizistInnen und ein 16 km langer Sicherheitszaun haben die Region um Garmisch an diesem Wochenende in ein Heerlager bedrohlich auftretender Robocops verwandelt.
Eine Kutschfahrt für die Gattinnen der Regierungsvertreter wiegt in Deutschland im Zweifelsfall offensichtlich schwerer als das Recht der Protestierenden auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit.
Nicht einmal der groteske Vorschlag, 50 handverlesene VorzeigedemonstrantInnen in Sichtweise der Regierungschefs aufzustellen, hatte vor dem Bayischen Verwaltungsgerichtshof Bestand.
Dass die Polizei sich am Sonntag für den „friedlichen Verlauf" der Demonstrationen bedankte, ist nur noch als zynisch zu betrachten, angesichts der Tatsache, dass sie tags zuvor eine ebenso friedliche Demonstration mit einer brutalen Knüppel- und Pfeffergasattacke angegriffen hatte, die über 60 Verletzte forderte. Die Begründung der Polizei (eine angebliche Flasche mit brennbarer Flüssigkeit) stellte sich im Nachhinein als glatte Lüge heraus. Auch solche Propagandamanöver gehören in Deutschland mittlerweile zum Alltag.
Garmisch-Partenkirchen, den 07.06.2015
Gegen die Proteste in Garmisch-Partenkirchen gehen die Repressionsorgane
mit einer erstaunlichen Kreativität vor. Neben klassischen
Knüppeleinsätzen und Pfeffersprayattacken im Rahmen der Demo greifen die
Polizei und Justiz tief in die Mottenkiste der
Kriminalisierungsmaßnahmen. Diese reichen von den Begründungen, mit
denen das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen ein faktisches Verbot des
Sternmarschs erzwingen will, bis hin zu an den Haaren herbeigezogenen
vermeintlichen Straftatbeständen.
Auch wenn es bislang nur zu nicht einmal zwei Dutzend meist vorläufigen
Gewahrsamnahmen kam, zeigen deren Anlässe ein breites Panorama
polizeilicher Fantasie auf.
Garmisch-Partenkirchen, den 06.06.2015
Am heutigen Samstag sollte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH)
über die Klage gegen das weitgehende Verbot des Sternmarsches
entscheiden. Auf mehrmalige Nachfragen der Rechtsanwält*innen, die das
Bündnis „Stop G7" in der Klage vertreten, erklärte das Gericht, mit
einem Urteil sei keinesfalls vor 19 Uhr zu rechnen. Offenbar wird das
Verfahren absichtlich verschleppt, so dass eine Verfassungsbeschwerde
gegen die weitgehende Abschaffung der Versammlungsfreiheit für den
morgigen Tag praktisch unmöglich werden würde.