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DNA-Entnahme

Tipps zum Umgang mit DNA-Entnahmen

Um Haaresbreite

Stell dir vor, du erhältst vom Gericht eine Aufforderung zur Abgabe einer Speichelprobe für eine DNA-Analyse und du gehst nicht hin. Du hörst einige Zeit nichts von ihnen und eines Morgens steht die Polizei vor deiner Haustür und will dich zur Abnahme einer Speichelprobe mitnehmen.

Seit 1997 dürfen die das: die molekulargenetische Untersuchung ist als Beweismittel im Strafprozess zulässig. Seit 1998 (»DNA-Identitätsfeststellungsgesetz«) darf der Staat die so erhobenen »genetischen Fingerabdrücke« auch suchbar speichern, die entsprechende BKA-Datei (DAD) enthält inzwischen (2013) deutlich über eine Million Datensätze.

Warum DNA?

Die DNA enthält die Erbinformation von Organismen und, hier wird es für die Staatsgewalt interessant, identifiziert jedes Lebewesen und also auch jeden Menschen (fast) eindeutig. Jede Zelle des Körpers enthält eine vollständige Kopie dieser Information. Hat man eine Spur und eine Probe von Zellmaterial einer Person, lässt sich mit großer Sicherheit feststellen, ob die beiden zueinander passen oder nicht. DNA ist damit ein Beweismittel ähnlich wie ein konventioneller (»daktyloskopischer«) Fingerabdruck, nur reichen weit geringere Spuren, es ist einfacher, große Datenbestände zuverlässig abzugleichen, und wir alle hinterlassen weit mehr DNA-Spuren als Fingerabdrücke. Die DNA-Analyse erlaubt auch die Auswertung älteren Materials etwa aus Asservatenkammern. DNA-basierte Methoden sind besonders eklig, weil wir immer und überall DNA-Spuren hinterlassen, etwa durch Speichel, Haare, Hautzellen oder auch Blut. Insbesondere bleiben bei jedem direkten Kontakt mit Gegenständen jeder Art in der Regel auswertbare Spuren von Hautzellen zurück. Speichelreste lassen sich z. B. an Kippen (die im Wendland nach Demos schon polizeilich erfasst wurden), Spuckis, angeleckten Briefumschlägen oder Trinkgefäßen finden.

Was tun, wenn es brennt?!

Die Entnahme und Analyse von Körpermaterial zu Zwecken der DNA-Analyse ist in den Paragraphen 81 der Strafprozessordnung geregelt. Der Staat macht in der Regel großes Aufheben um den »Richtervorbehalt«, also den Umstand, dass bereits die Entnahme von Körpermaterial normalerweise durch ein Gericht angeordnet werden muss. Bei »Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung« oder sowieso »Gefahr im Verzug« reicht aber gegenüber Beschuldigten auch der Wunsch »der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen« (also der Polizei).

Dennoch solltet ihr, wenn die Polizei z. B. nach einer Aktion im Rahmen einer ED-Behandlung gleich noch eine Speichelprobe nehmen will, zur Not mit anwaltlicher Hilfe versuchen, die Maßnahme zu verhindern, denn im Gegensatz zu etwa Bluttests zur Bestimmung des Blutalkohols kann bei Material für DNA-Analysen eine »Verzögerung« eigentlich keine Rolle spielen (außer, die Polizei versucht, Fluchtgefahr zu konstruieren – das aber ist an die recht strengen Regeln für Haftbefehle gebunden). Mit etwas Glück ist es der Polizei dann zu mühsam, über die (eingestandenermaßen niedrige) Hürde des Richtervorbehalts zu springen.

Leider können Gerichte auch Nichtbeschuldigte zur Speichelprobe laden, wenn die Staatsanwaltschaft geeignet konstruiert, dass das der Wahrheitsfindung dienen könne. Die Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren, entsprechen denen beim Zeugnisverweigerungsrecht – bitte informiert euch dazu in unserer Broschüre zur Aussageverweigerung.

Schließlich gibt es auch noch Reihenuntersuchungen. Bei diesen ist die Entnahme von Körperzellen strikt an eure schriftliche Einwilligung gekoppelt. Diese solltet ihr natürlich nicht geben, auch wenn im Einzelfall der Ermittlungszweck noch so berechtigt erscheint.

DNA-Analyse

Aus dem entnommenen Körpermaterial wird über eine mittlerweile weitgehend automatisierte Prozedur meist in unabhängigen Labors ein »Fingerabdruck« von einem runden Dutzend Zahlen ermittelt. Diese Zahlen sind technisch relativ einfach zu gewinnen und haben etwas mit der Länge von DNA-Stücken zu tun, deren genetische Funktion bisher nicht voll verstanden ist, d. h. es können keine Rückschlüsse auf bestimmte Eigenschaften der Person gezogen werden (»nichtcodierend« wird das genannt). Über diese Analyse hinaus darf noch das Geschlecht des/der SpurenlegerIn bestimmt werden, danach muss das Material vernichtet werden. Wenn (!) Entnahme und Analyse korrekt durchgeführt werden, ist die Identifikation von Personen über diesen »Fingerabdruck« in der Tat sehr zuverlässig. Weitere Daten dürfen nicht aus der DNA gewonnen werden (diese Einschränkung wird wohl fallen, wenn das mit einiger Sicherheit möglich wird…).

Die Analyse muss unter ähnlichen Umständen wie die Entnahme angeordnet werden. Schon der Umstand, dass dies seit 1997 weit über eine Million Mal passiert ist, lässt darauf schließen, dass dabei recht sorglos vorgegangen wird. Abgesehen von der Verwendung in eventuellen Verfahren ist Hauptzweck einer Entnahme in aller Regel die Speicherung in der bereits erwähnten Analysedatei DAD beim BKA, je nach Bundesland auch in einer vom jeweiligen LKA unterhaltenen Datei. Die Speicherung wird normalerweise begründet mit der Prognose, der/die Beschuldigte werde gewiss weitere Straftaten begehen, die Speicherung sei also zur Identitätsfest stellung in künftigen Verfahren nötig; in politischen Prozessen liegen Argumente dieser Art besonders nahe.Ihr könnt damit rechnen, dass der entsprechende Datensatz frühestens zehn Jahre nach der letzten Speicherung irgendwelcher Daten zu euch beim BKA gelöscht wird, also vermutlich gar nicht. Über ein (kostenloses) Auskunftsersuchen beim BKA könnt ihr herausfinden, ob ihr bereits gespeichert seid. Es hat Fälle gegeben, in denen das BKA auf Intervention von Datenschutzbeauftragten oder auch AnwältInnen Datensätze vor Ablauf der Löschfrist gelöscht hat.

Noch mal ganz klar: Zur Speicherung ist keine Verurteilung nötig. Steht ihr in der Datei, ist für euch die Unschuldsvermutung de facto umgekehrt: Wird an irgendeinem Tatort genetisches Material von euch gefunden, müsst ihr nachweisen, dass ihr dort nicht oder jedenfalls nicht zur Tatzeit wart. Es ist also eine sehr gute Idee, nach der Entnahme von Körperzellen beim BKA nachzuhaken und – wenn es irgendwie geht – eine Löschung des Datensatzes zu erreichen.

Das ist gar nicht so aussichtslos, wie es scheinen mag: So hat der Landesbeauftragte für Datenschutz in Baden-Württemberg bei der Prüfung einer Stichprobe von Datensätzen, wie sie für politische Repression nicht ganz untypisch sein dürften, die Löschung von 42% der Datensätze verfügt, weil sie selbst nach den zunehmend verwässerten Schutzrichtlinien nicht hätten gespeichert werden dürfen.

Im konkreten Fall einer geplanten DNA-Entnahme kann die Rote Hilfe folgende Tipps geben:

• Keine Aussagen, keine Unterschriften! Besonders keine Einwilligung zur freiwilligen Speichelprobe unterschreiben!!!

• In jedem Fall gilt: Eine Blutentnahme muss von einer Ärztin bzw. einem Arzt durchgeführt werden (in der Regel wird heute aber Speichel genommen, und das darf die Polizei selbst machen).

• Wie bei jeder erkennungsdienstlichen Behandlung gilt: legt explizit gegen die Speichelprobe Widerspruch ein und lasst ihn schriftlich festhalten!

• Die Erfahrungen haben gezeigt, dass eine anwesende Rechtsanwältin / ein anwesender Rechtsanwalt solche rechtlich fragwürdigen Maßnahmen zumindest zu diesem Zeitpunkt verhindern kann. Informiert eine Anwältin bzw. einen Anwalt eures Vertrauens, eure Ortsgruppe und/oder den Ermittlungsausschuss über eure Festnahme und die geplante DNA-Entnahme. Euch steht bei jeder Festnahme ein Anruf bei einer Person Eures Vertrauens zu.

• Lasst Euch von eventuellen Drohungen der PolizeibeamtInnen nicht einschüchtern, sondern behaltet einen klaren Kopf. Bedenkt die folgenschweren Konsequenzen