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Aussageverweigerung

Keine Aussagen bei Polizei und Staatsanwaltschaft! Keine Zusammenarbeit mit den staatlichen Repressionsorganen!

Als linke Aktivist*innen werden wir immer wieder mit staatlicher Repression konfrontiert. Repression soll den Effekt haben, uns abzuschrecken, umzuerziehen und die Öffentlichkeit und den Staat als solchen vor uns zu schützen. Sie ist kein Fehler im System, sondern eine Eigenheit, die wir in unsere politischen Auseinandersetzungen mit einbeziehen müssen. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass der Staat und seine Repressionsorgane mit vielerlei Mitteln Informationen über linke Strukturen, Personenzusammenhänge und Aktivitäten zu gewinnen versuchen. Aussagen von linken Aktivist*innen bei Polizei und Staatsanwaltschaft sind für diese eine wichtige Quelle der Informationsgewinnung. Wir, die Rote Hilfe, stellen jedoch immer wieder fest, dass dennoch Aussagen gemacht werden. Sei es, weil Betroffene in Strafverfahren ihre „Unschuld“ beweisen wollen. Sei es, weil sie eingeschüchtert und mit Ohnmachtsgefühlen konfrontiert sind und sich allein gelassen fühlen. Mit Aussagen bei den Repressionsorganen ist allerdings niemandem geholfen, außer den Repressionsorganen!

Der einzig sinnvolle Umgang mit staatlicher Repressi-on ist die radikale Absage an jegliche Kooperation: Keine Zusammenarbeit mit und keine Aussagen bei staatlichen Repressionsorganen! Nur so können wir uns und unsere Strukturen schützen.

Aussageverweigerung als Waffe gegen den Repressionsapparat

Die Abwehr von staatlicher Repression beginnt mit dem Mundhalten bei Polizei und Staatsanwaltschaft; nicht nur um die Genoss*innen, sondern auch um sich selbst zu schützen. Denn bei jedem Gespräch, jeder Festnahme und jedem Strafverfahren wollen Polizei und Justiz neben der Repression gegen Einzelne immer auch Informationen über politische und persönliche Zusammenhänge gewinnen. Alles, was du sagen würdest, werden die Repressionsorgane im Zweifel gegen dich und andere Aktivist*innen verwenden. Manchmal will die Polizei dich auch zu scheinbar „harmlosen“ oder „entlastenden“ Aussagen überreden. Aber es gibt keine „harmlosen“ Aussagen. Jede Äußerung hilft der Polizei bei ihren Ermittlungen, entweder gegen dich oder gegen andere. Scheinbar „entlastende“ Aus-sagen können entweder andere belasten oder der Polizei Tipps geben, nach weiteren Beweisen gegen dich zu suchen. Daher raten wir grundsätzlich: Keine Zusammenar-beit mit dem Repressionsapparat durch konsequente Aussageverweigerung!

Überraschende Befragungen

Allein das Gefühl, bei einer Festnahme ganz und gar der Polizei aus-geliefert zu sein, verleitet dazu, Aussagen zu machen. Es muss jedoch noch nicht einmal zu einer akuten Repressionssituation kommen, um mit der Polizei oder Geheimdiensten konfrontiert zu werden. Teilweise werden Leute auf Demos belanglos angequatscht und in ein „unverfängliches Gespräch“ verwickelt. Auch wenn solche Gespräche keinen „offiziellen“ Beigeschmack haben, so kann jedes Wort gegen euch und andere Aktivist*innen verwandt werden! Ebenso werden Genoss*innen immer wieder auf offener Straße, oft unter einem einfachen Vorwand, angequatscht oder angerufen, um sie als Informant*innen zu gewinnen. Hier hilft nur: Verweigert jedes Gespräch, lasst sie stehen und informiert eure Zusammenhänge und die Rote Hilfe!

Festnahme

Wenn du festgenommen wurdest, kannst du dich nicht immer so einfach der Situation entziehen. Die Polizei hat für genau solche Momente Methoden entwickelt, wie sie dich unter Druck setzten kann und versuchen wird, Aussagen aus dir herauszubekommen. Die Vorgehensweise von „guter Bulle, böser Bulle“ kommt nicht nur in Filmen vor, sondern ist die gängige Praxis. Dies geschieht einerseits durch Einschüchterung (Anschreien, Gewaltandrohung und manchmal auch -ausübung, Drohen mit Konsequenzen bei den Eltern, in der Schule oder im Job) und andererseits über verständnisvolle Ansprache („Wir sind ja auch gegen die Rechten, wir wollen ja das gleiche“).

Vorladung als Beschuldigte*r von der Polizei

Grundsätzlich gilt: Zu Vorladungen von der Polizei musst und solltest du aus genannten Gründen nicht hingehen! Eine gesetzliche Erscheinungspflicht besteht nicht. Es drohen also keine Konsequenzen beim Fernbleiben. Zudem steht dir als Beschuldigte*r das Recht zu, die Aussage zu verweigern.

Vorladung als Beschuldigte*r von Staatsanwaltschaft und Ermittlungsrichter*in

Bei Vorladungen von der Staatsanwaltschaft/Ermittlungsrichter*in besteht eine gesetzliche Erscheinungspflicht. Erscheinst du zu einer solchen Vorladung nicht, kannst du zwangsweise vorgeführt werden. Die Erscheinungspflicht hat allerdings nichts mit deinem Recht auf Aussageverweigerung zu tun. Auch bei der Ladung durch Staatsanwält*innen oder Ermittlungsrichter*innen bist du gesetzlich nicht dazu verpflichtet, eine Aussage zu machen und die Aussageverweigerung darf dir nicht zu deinem Nachteil ausgelegt werden. Es ist empfehlenswert, dir zu einer solchen Vorladung eine*n Anwält*in mitzunehmen und vor-her das Vorgehen zu besprechen. Dadurch ist es auch möglich, einer Verhörsituation zu entgehen, wenn der*die Antwält*in für dich spricht, auch wenn er*sie nur erklärt, dass du keine Aussage machen wirst.

Vorladung als Zeug*in von der Polizei

Auch als Zeug*in musst du grundsätzlich nicht bei der Polizei erscheinen; es besteht auch keine Aussagepflicht!

Durch eine Gesetzesverschärfung 2017 besteht nun für Zeug*innen aber dann eine Erscheinungspflicht und teilweise auch Aussagepflicht vor der Polizei, wenn die Polizei auf Grund eines Auftrages der Staatsanwaltschaft vorlädt. Daher ist nun bei der Vorladung als Zeug*in von der Polizei durchaus Vorsicht geboten. Es muss jedoch aus der Vorladung hervorgehen, ob du zum Erscheinen verpflichtet bist und welche Konsequenzen dir sonst drohen.

Vorladung als Zeug*in von Staatsanwaltschaft und Ermittlungsrichter*in

Bei einer Vorladung von der Staatsanwaltschaft oder der*dem Ermittlungsrichter*in besteht eine gesetzliche Erscheinungspflicht. Zudem besteht die gesetzliche Pflicht, wahrheitsgemäß auszusagen, sofern du nicht zeugnis- oder auskunftsverweigerungsberechtigt bist. Da insbesondere Zeug*innenaussagen von der Repressionsjustiz zum Ausforschen von Zusammenhängen und der Spaltung genutzt werden, ist in den meisten Fällen auch hier die konsequente Aussageverweigerung das einzig richtige Verhalten.

Was tun bei Vorladung als Zeug*innen und mögliche Konsequenzen

Es muss dir jedoch bewusst sein, dass die Staatsanwaltschaft sogenannte Ordnungsmittel (Ordnungsgeld und Ordnungshaft) einsetzt, um persönliches Erscheinen und Aussagen zu erzwingen. Hierzu zählt auch die zwangsweise Vorführung einer nicht erschienenen Person, d. h. du wirst von der Polizei abgeholt.

Bei einer Vorladung von der Staatsanwaltschaft/Ermittlungsrichter*in oder von der Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft ist es daher wichtig, dich mit anderen Betroffenen, einer Ortsgruppe der Roten Hilfe oder anderen Antirepressionsgruppen auszutauschen, um das weitere Vorgehen zu besprechen und bestmöglich informiert zu sein. Ein weiteres Vorgehen sollte in jedem Fall nicht individuell entschieden werden, da das der Repressionsjustiz zumeist in die Hände spielt. Auch als Zeug*in hast du das Recht, eine*n Rechtsanwält*in als juristischen Beistand hinzuzuziehen, die*der dich berät und dir während der Zeug*innenvernehmung bei Staatsanwaltschaft oder Gericht zur Seite steht. Wenn du dorthin gehst, raten wir dringend dazu, mit einem Rechtsbeistand dort zu erscheinen.

Aussageverweigerung – ein permanentes Thema für alle

Umgang mit Repression und der Frage der Aussageverweigerung sind untrennbarer Bestandteil linker Politik und nicht nur lästiges Beiwerk, mit dem sich Betroffene, deren direktes Umfeld und einige Spezialist*innen auseinandersetzen müssen. Es liegt an uns allen, unsere Strukturen vor staatlicher Repression so effektiv wie irgend möglich zu schützen. Das funktioniert nur, wenn wir den Repressionsfall in unsere politischen Auseinandersetzungen einbeziehen und uns gemeinsam theoretisch und praktisch auf Situationen vorbereiten, in denen die*der Einzelne oft allein steht. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Festnahme und Knast erleichtert den Umgang mit dem Repressionsapparat. Darüber hinaus bedeutet Vorbereitung auch, sich da-mit auseinanderzusetzen, was wir uns als Einzelne in bestimmten Situationen zutrauen, und individuelle Grenzen abzustecken. Wenn wir ehrlich damit umgehen, wo uns etwas zu heikel ist, geraten wir seltener in überfordernde Situationen. Es muss dar-um gehen, dass wir mit den unangenehmen Situationen fertig werden und nicht fertiggemacht werden. Alle bisherigen Erfahrungen zeigen, dass Aussagen vor allem ein Ausdruck der Schwäche politischer Strukturen sind. Aussagen werden gemacht, wenn sich Menschen mit den Folgen ihrer politischen Aktivität alleine gelassen fühlen und daher versuchen, für sich das scheinbar Beste aus der Situation zu machen. Verantwortung heißt einerseits „keine Aussagen“ – andererseits auch die Organisation von politischer und materieller Solidarität: Wir lassen niemanden alleine!

Meldet jede Festnahme, jede Vorladung zur Polizei oder Staatsanwaltschaft der Roten Hilfe oder anderen Rechtshilfegruppen. So können wir gemeinsam ein solidarisches Vorgehen besprechen.

Broschüre zur Aussagevereigerung

Die generelle Aussageverweigerung gegenüber den staatlichen Repressionsorganen galt in der Linken lange als strömungsübergreifender Konsens.

Mit wachsender Besorgnis beobachtet die Rote Hilfe seit Längerem, dass gegen diesen wichtigen Leitsatz zunehmend verstoßen wird. Neben der Hoffnung auf individuelle Vorteile durch Teil- oder gar ganzheitliche Aussagen gegenüber der Polizei und im Strafverfahren sind Unwissenheit und Unsicherheit die Hauptgründe dafür. Viele Betroffene lassen sich einschüchtern und sind schlecht oder nur unzureichend darüber informiert, dass sie das Recht auf Aussageverweigerung haben, wann sie davon Gebrauch machen können und mit welchen Konsequenzen zu rechnen ist.

Generell gilt: Es ist immer die richtige Entscheidung, die Klappe zu halten, denn „harmlose“ oder gar „entlastende“ Aussagen, wie sie teilweise als „kreativer Umgang mit Polizei und Justiz“ propagiert werden, gibt es nicht! Jeder noch so kleine, zunächst unbedeutend erscheinende Hinweis kann weitere Ermittlungen nach sich ziehen und unangenehme Folgen haben! Ob als Betroffene*r oder als Zeug*in – es gilt, Polizei, Gerichten und Staatsanwaltschaft jegliche Information über unsere Strukturen vorzuenthalten, um uns und unsere Genoss*innen zu schützen!

Das Wissen und Bewusstsein über den richtigen Umgang mit staatlicher Repression muss deshalb kontinuierlich weitergegeben werden.
Eine Möglichkeit dazu bietet unsere überarbeitete Broschüre zur Aussageverweigerung. Sie klärt über wichtige rechtliche Grundlagen auf und beleuchtet verschiedene Aspekte der staatlichen Repression und den richtigen Umgang mit diesen. Daneben geht sie auf einen heute brandaktuellen Punkt ein: den Auftritt in und den Umgang mit sozialen Medien.

Informiert euch und andere! Gebt Repression keine Chance! Denn: „Anna und Arthur halten (weiterhin)’s Maul!“