Direkt zum Inhalt
13.07.2021

Bleiberecht für Nazdar Ecevit rückt näher

Nach jahrelanger Verfolgung in der Türkei sind die Chancen von Nazdar Ecevit als politischer Flüchtling anerkannt zu werden bzw. mindestens ein Bleiberecht zu erhalten wieder deutlich gestiegen. Das Verwaltungsgericht Kassel hat nunmehr in einem Eilverfahren entschieden, dass eine Abschiebung bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens nicht erfolgen darf. Trotz ihrer politischen Verfolgung aufgrund ihres Engagements für die Rechte der kurdischen Bevölkerung und der „Demokratischen Partei der Völker“ (HDP) wurde ihr im ersten Verfahren Asyl in Deutschland verweigert. Am 8. April saß Nazdar Ecevit bereits in einem Abschiebeflugzeug, das sie nur dank ihres und des Widerstands anderer wieder verlassen konnte.

Ihr erstes Asylverfahren, auf die das Gericht seine Entscheidung zur Asylverweigerung stützte, war voller Fehler. So wurden Aussagen falsch oder gar nicht übersetzt, Dokumente der Verfolgung ignoriert und sich allein Angaben der Verfolgungsbehörden und des Erdogan-Regimes gestützt. Mehrere Gutachten belegen nun, dass der Asylantrag zu Unrecht verweigert wurde.

Nazdar Ecevit ist seit 2005 in der Türkei politisch aktiv. 2009 wurde sie im Rahmen der sogenannten „KCK-Operation“, einer Verhaftungswelle gegen kurdische Oppositionelle, festgenommen und musste mehr als fünf Jahre in Untersuchungshaft verbringen. Im Januar 2016 beteiligte sich Nazdar Ecevit mit ihrem Bruder und anderen HDP-Mitgliedern an dem Versuch, trotz Ausgangssperre verwundete Zivilisten in der Stadt Cizre zu bergen. Dabei wurde sie vom türkischen Militär angeschossen. Zudem läuft gegen sie in der Türkei ein weiteres Strafverfahren wegen eines Facebook-Posts. In der Türkei liegen gegen sie deshalb mehrere Haft- und Vorführungsbefehle vor und ihr drohen viele weitere Jahre Haft und Folter. 2016 gelang ihr die Flucht nach Deutschland.

Anja Sommerfeld, Mitglied im Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V., die das Verfahren gemeinsam mit Pro Asyl unterstützt hat, ist erleichtert, dass das Asylverfahren noch einmal aufgerollt wird. „Nazdar Ecevit droht bei einer Abschiebung in die Türkei wie vielen anderen politischen Gefangenen jahrelange Haft ohne Anklage, stetige Verfolgung und miserable Haftbedingungen, die bis zu Folter reichen. Das Erdogan-Regime steht mit dem Rücken zur Wand und geht dabei immer skrupelloser gegen die Opposition vor. Nazdar Ecevit braucht politisches Asyl und Schutz, bis sich die Verhältnisse in der Türkei wieder demokratischen Standards nähern.“

Sommerfeld kritisiert die Gerichte, die bei Asyl- und Strafverfahren mit dem Erdogan-Regime zusammenarbeiten. „Leider erleben wir immer wieder, dass der Staat Anklagen und Asylverweigerungen auf Informationen aus der Türkei stützt. Verfolgung, Erpressung und Folter sind unter Erdogan dort an der Tagesordnung und die angeblichen Aussagen und Dokumente nichts wert. Stattdessen muss die Bundesregierung, den politischen Geflüchteten Asyl gewähren und sich für die Freilassung der politischen Gefangenen einsetzen.“