Direkt zum Inhalt
18.07.2021

Politische Justiz gegen Antifas: Urteilsverkündung gegen Jo und Dy in Stuttgart steht bevor

Der seit April laufende Prozess gegen die beiden Antifaschisten Jo und Dy steht unmittelbar vor dem Ende: Bereits am 19. Juli werden vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht die Plädoyers vorgetragen, und für den 22. Juli 2021 wird die Urteilsverkündung erwartet.

 Den beiden Stuttgarter Aktivisten wird vorgeworfen, am 16. Mai 2020 am Rande eines rechten „Querdenken“-Aufmarschs in eine körperliche Auseinandersetzung mit führenden Mitgliedern der faschistischen Pseudo-Gewerkschaft „Zentrum Automobil“ verwickelt gewesen zu sein. Indem sie den Vorwurf des versuchten Totschlags erhoben, benutzten die staatlichen Behörden den Vorfall im Stuttgarter Stadtteil Bad Cannstatt als Anlass, um antifaschistische Strukturen in Baden-Württemberg mit einer gewaltigen Repressionswelle zu überziehen, die sich vor allem auf die Landeshauptstadt konzentrierte. Unter Federführung der eigens gegründeten Ermittlungsgruppe „Arena“ kam es ab Sommer 2020 zu zahlreichen Hausdurchsuchungen, zahlreichen Überwachungsmaßnahmen und zwei Verhaftungen: Bereits im Rahmen einer Großrazzia am 2. Juli 2020 wurde Jo in Untersuchungshaft genommen und kam erst Mitte Januar 2021 frei; am 4. November 2020 wurde Dy verhaftet, der bis heute in Stuttgart-Stammheim festgehalten wird. Am 19. April 2021 wurde der so genannte Wasen-Prozess gegen die beiden Stuttgarter Antifaschisten eröffnet.

 Nun will das Gericht den Prozess noch vor der Sommerpause zum Abschluss bringen, obwohl bisher davon ausgegangen worden war, dass auch im Herbst noch etliche Tage weiter verhandelt werden wird. Das vorzeitige Ende ist aber keineswegs ein Zugeständnis an die dürftige Beweislage. Bisher konnte die Staatsanwaltschaft außer einigen Indizien nur Zeug*innen bieten, welche die beiden Angeklagten nicht zweifelsfrei identifizieren konnten. Trotzdem wird davon ausgegangen, dass das Stuttgarter Oberlandesgericht Haftstrafen gegen Jo und Dy verhängen wird, denn der unbedingte Verfolgungswille der baden-württembergischen Repressionsorgane gegen Antifaschist*innen ist berüchtigt: Neben der breiten Repressionswelle durch die Ermittlungsgruppe „Arena“, der extrem langen Untersuchungshaft gegen die beiden beschuldigten Genossen und dem offensichtlich politisch motivierten Prozess gibt es schon seit Jahren immer wieder staatliche Angriffe gegen Linke. Regelmäßig kommt es in Stuttgart zu massiven Polizei- und Justizmaßnahmen vor allem gegen Antifaschist*innen, und nicht selten werden vor Gericht Bewährungs- oder Haftstrafen verhängt. Ein besonders bekannter Fall ist der von Findus, der wegen seines entschlossenen Engagements gegen rechte Umtriebe zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt wurde und am 19. Juli 2021 seine Haft antreten muss.

 „Der Prozess gegen Jo und Dy ist ein Lehrbuchbeispiel für politische Justiz gegen Antifaschist*innen“, erklärt Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V. „Von Anfang an war ersichtlich, dass die staatlichen Repressionsorgane den Vorfall am Cannstadter Wasen als Anlass für einen massiven und jahrelangen Feldzug gegen antifaschistische Strukturen nehmen würden. Während immer wieder neue faschistische Netzwerke in Polizei und anderen Behörden bekannt werden, die als ‚Einzelfälle‘ abgetan und nicht aufgeklärt werden, richtet sich der volle Verfolgungseifer gegen diejenigen, die entschieden gegen rechte Strukturen vorgehen.

Die Rote Hilfe steht an der Seite von Jo und Dy und ruft zur Prozessbeobachtung bei den morgigen Plädoyers und bei der Urteilsverkündung am 22. Juli auf. Wir solidarisieren uns ebenso mit Findus, der morgen für zweieinhalb Jahre in Haft muss, sowie der in Leipzig inhaftierten Antifaschistin Lina.“