Direkt zum Inhalt
09.11.2025 | Pressemitteilung

Anklage wegen „fahrlässiger Tötung“ gegen den Polizeischützen im Fall Lorenz A. erhoben

Nach den tödlichen Polizeischüssen auf Lorenz A. erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage wegen „fahrlässiger Tötung“. Die Rote Hilfe kritisiert die Verharmlosung und steht solidarisch an der Seite der Familie und der Initiative Gerechtigkeit für Lorenz.
Lorenz A.

In der Nacht zum Ostersonntag 2025 wurde Lorenz A. in Oldenburg mit mehreren Schüssen von hinten durch einen Polizeibeamten erschossen. Nun erhebt die Staatsanwaltschaft Oldenburg Anklage wegen „fahrlässiger Tötung“. Dabei bedient sie sich der Konstruktion der „Putativnotwehr“ — der Schütze habe fälschlicherweise aus Notwehr gehandelt.

In einer Stellungnahme vom 5. November 2025 kritisieren die Rechtsanwältin Lea Voigt und ihre Kolleg*innen dieses Vorgehen. Es seien keine Voraussetzungen für Notwehr gegeben, da sich Lorenz mit dem Rücken zum Schützen und auf der Flucht befand.

Die Anklage müsste Totschlag heißen.

Generell ist der Fall eine Aneinanderreihung von behördlichem Fehlverhalten, Aljoscha Hoepfner spricht in seinem Artikel vom 6. November 2025  in der taz gar von einem „Lehrstück der Täter-Opfer-Umkehr“. Erst wird Lorenz von hinten erschossen, dann werden ihm Handschellen angelegt, bevor ihm erste Hilfe geleistet wird. Die Polizei Oldenburg eröffnet ein Ermittlungsverfahren gegen Lorenz, obwohl es laut Strafprozessordnung ausdrücklich verboten ist, gegen Tote zu ermitteln. Es werden Informationen an die Presse durchgestochen, die nur von der Polizeibehörde selbst stammen können, in den Akten wird der Erschossene z. T. als „Täter“ geführt.

Es drängt sich der Eindruck auf, es werde versucht, Lorenz posthum zu diskreditieren, um polizeiliches Fehlverhalten zu legitimieren.

Bei dem Versuch, die Debatte um strukturellen Rassismus bei der Polizei einzufangen, sagt der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Niedersachsen im Interview mit dem NDR, in einer „hochdynamischen Lage“ habe der*die Polizeibeamt*in nur einen Bruchteil einer Sekunde, um festzustellen, „[h]andelt es sich um eine Person of Colour? Oder handelt es sich um einen jungen Deutschen? Oder um einen Zugewanderten?“. Dass es auch Menschen gibt wie Lorenz, die junge Deutsche und Person of Colour zugleich sind, scheint einem hochrangigen, deutschen Polizeibeamten nicht nachvollziehbar, und welchen Unterschied es für die Zwangsmaßnahme der Streifenbeamt*innen machen soll, bleibt er uns ebenfalls schuldig.

»Als Rote Hilfe verurteilen wir den Umgang der Behörden mit dem Fall auf das Schärfste«, so Hartmut Brückner vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V. »Wir stehen solidarisch an der Seite der Familie, der Freund*innen und der „Initiative Gerechtigkeit für Lorenz“. Dass überhaupt Anklage gegen einen Polizeibeamten erhoben wird, ist selten und Verdienst der Initiative, die den politischen Druck aufrecht erhält. Jetzt liegt es am Landgericht Oldenburg, das Verfahren zu eröffnen.«