Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Türkei/Kurdistan.
Ihr könnt die Zeitung im Bahnhofsbuchhandel kaufen oder im Literaturvertrieb bestellen. Mitglieder bekommen die Zeitung zugeschickt.
Außerdem ist sie wie alle Ausgaben seit 3/2011 auch als PDF-Download verfügbar.
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„Faires Verfahren“ endgültig verunmöglicht
Durch einen Antrag der Verteidigung des Hauptangeklagten Müslüm Elma wurde bekannt, dass die bayerische Justiz dem türkischen Staat offenbar ermöglicht hat, in mindestens einem Fall Einsicht in den Schriftverkehr zwischen Anwalt und Verteidiger zu nehmen. Ein sog. „Kontrollrichter“, der nicht dem erkennenden Senat des OLG München, sondern dem Amtsgericht Kempten angehört, liest sämtliche Korrespondenz seit dem Beginn des Verfahrens, was ohnehin schon als fragwürdige Praxis angesehen werden kann, sollte diese doch vertraulich sein. Da der Austausch in türkischer Sprache erfolgt, lässt der „Kontrollrichter“ sämtliche Briefe ins deutsche übersetzen, um sie lesen zu können, was eine Verzögerung von zwei bis vier Wochen zur Folge hat. Doch damit nicht genug wurde nun durch den Antrag bekannt, dass für die Übersetzung ein Büro in der Türkei engagiert wurde, dass noch nicht einmal eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen musste und sich nun weigert, die erstellten Kopien der vertraulichen Post zu vernichten.
Ebenso wurden die Schriftstücke per unverschlüsselter Email in die Türkei übersandt, also in ein Land, dass sich im Ausnahmezustand befindet, auf eine Diktatur zusteuert und einen sehr hohen Grad an Telekommunikationsüberwachung durch Polizei und Geheimdienst aufweist.
Um den 10. Oktober riefen zahlreiche linke Initiativen dazu auf, Gedenkveranstaltungen für die 100 getöteten AktivistInnen abzuhalten, die bei dem Anschlag auf eine Friedensdemonstration im Jahr davor ums Leben gekommen waren.
Zu den Veranstaltungen in Ankara war auch eine Delegation aus Berlin angereist, um gemeinsam mit dem Verein der Opfer und Angehörigen (10. Ekim-DER) am Gedenken teilzunehmen.
Bereits zwei Tage zuvor wurde bei der Anreise eine Delegationsteilnehmerin am Flughafen festgenommen und nach stundenlangen Verhören nach Deutschland abgeschoben.
Die darauffolgenden Tage waren von massiver Polizeirepression geprägt. Zahlreiche Kundgebungen und Demonstrationen in mehreren Städten wurden unter Einsatz von Knüppeln und Tränengas attackiert. In Ankara hatte der Gouverneur eine Versammlung am Hauptbahnhof untersagt und lediglich Familienangehörigen das Betreten des Tatortes gestattet, während weitere AktivistInnen gezielten Angriffen der Polizeikräfte ausgesetzt waren.
Nicht erst seit der Ausrufung des Ausnahmezustandes unternehmen staatliche Stellen alles in ihrer Macht stehende, um die Erinnerung an den größten Terroranschlag der letzten Jahrzehnte in der Türkei mit 100 Todesopfern und nahezu 500 Verletzten zu behindern und zu kriminalisieren.
Ebenso wie im Fall des Bombenanschlags von Suruc am 20. Juli 2015 sollen Opfer, Angehörige und soziale Bewegungen mit Gewalt davon abgehalten werden, öffentlich die politische Aufarbeitung der Geschehnisse und die Verurteilung der Verantwortlichen zu fordern, die mitunter in türkischen Regierungskreisen vermutet werden.
Die Rote Hilfe e.V. gedenkt den Opfern der Anschläge, solidarisiert sich mit den Forderungen der Angehörigen und verurteilt die systematische Polizeigewalt sowie die Verhaftungen während der Gedenkveranstaltungen.
Bundesvorstand Rote Hilfe e.V.
Wir dokumentieren einen Brief politischer Gefangener aus der Türkei:
„Wir schreiben an Sie als VertreterInnen der internationalen Medien, weil wir hoffen, so unserer Stimme Gehör zu verschaffen.
Sie wissen von der Unterdrückung der Presse in der Türkei, bzw. dass die Schließung von Presseeinrichtungen auf der Tagesordnung der AKP-Regierung steht. Aktuell wurde die kurdische Tageszeitung „Özgür Gündem“ geschlossen. Als politische Gefangene aus der PKK und PAJK haben wir jahrelang versucht, über die Zeitung „Özgür Gündem“ die Außenwelt über die existierenden Rechtsverletzungen und Repressionen in türkischen Gefängnissen zu informieren. Doch ist mit der Schließung dieser Zeitung uns die Möglichkeit genommen, gegen ein Rechtssystem, das vollständig dem AKP-Staat mit seiner Politik dient und in dem oppositionelle Medien nahezu ausgeschaltet sind, öffentlich zu kämpfen. Parallel dazu nimmt die Unterdrückung hier zu.
So wie der eigentliche Grund für die grenzüberschreitenden Militäraktionen der Türkei in Nord-Syrien die Einheiten der YPG sind, so ist auch Fethullah Gülen nur ein Vorwand für den Ausnahmezustand (…) In den türkischen Gefängnissen gibt es Zehntausende kurdische politische Gefangene. Abdullah Öcalan befindet sich seit nahezu 18 Jahren unter verschärften Isolationsbedingungen in Haft. Zwar hat Abdullah Öcalan dank der massenhaften Proteste im In- und Ausland nach 1 ½ Jahren zum ersten Mal wieder Kontakt zur Außenwelt in Gestalt seines Bruders Mehmet Öcalan bekommen, doch befindet er sich weiterhin unter dem Vorwand des Ausnahmezustandes unter verschärften Isolationsbedingungen. Die kurdischen politischen PKK/PAJK-Gefangene werden tagtäglich von einem Gefängnis in ein anderes überstellt. Zu den Transporten und bei der Aufnahme in ein neues Gefängnis werden diese vollständig entkleidet und durchsucht und sind der Folter ausgesetzt. Diese Überstellungen und Transporte werden in so hoher Anzahl und so rasch vollzogen, dass viele Angehörige keine Nachricht darüber erhalten und oft nicht wissen, wo sich ihre gefangenen Familienmitglieder befinden. Selbstverständlich dient dies einzig und allein dem Zweck, den Willen der Gefangenen zu brechen. Und in dieser Situation ist der für uns so wichtige Weg an die Öffentlichkeit geschlossen worden.
Aufruf zur Prozessbeobachtung+++Pressekonferenz nach Urteilsverkündung+++
Am 13. Oktober 2016 geht vor dem Oberlandesgericht Stuttgart der 129b-Prozess gegen den kurdischen Aktivisten Ali Ö. zuende, der angeklagt ist, als Gebietsleiter für die PKK tätig gewesen zu sein. Konkrete Straftaten werden ihm nicht zur Last gelegt; dennoch fordert die Staatsanwaltschaft 4 Jahre und sechs Monate Haft.Im Prozess gegen Ali Ö., der im Dezember 2015 begann, zeigt sich erneut der unbedingte Verfolgungswille des deutschen Staates gegenüber der kurdischen Linken: selbst der Staatsanwalt räumte ein, dass sämtliche Aktivitäten, die dem Angeklagten vorgeworfen werden, sich im Rahmen einer alltäglichen Vereinsarbeit bewegen und als solche nicht strafbar sind. Vorgeworfen werden Ali Ö. beispielsweise die Organisierung von und die Teilnahme an Kundgebungen und kurdischen Kulturveranstaltungen, häufige Besuche in Vereinen sowie Spendensammlungen in dreistelliger Höhe. Doch mit dem "Antiterrorgesetz" 129b hat sich der deutsche Staat eine Allzweckwaffe geschaffen, mit der auch völlig legale Handlungen kriminalisiert werden können, wenn sie in Verbindung zu einer als "terroristisch" gebrandmarkten Organisation wie der PKK stehen.
Nach der vom türkischen Ministerpräsidenten angeordneten Schließung von 12 Fernseh- und 11 Radiosendern, werden nun die Redaktionsräume der betroffenen Sender von der Polizei versiegelt. Nachdem der Oberste Türkische Rundfunkrat (RTÜK) am 28. September die durch eine Rechtsverordnung mit Gesetzeskraft erlassene Schließung umgesetzt hatte, konnten die Sender noch einige Tage auf ihren Internetseiten weiter senden. Auch dies wurde durch Regierungsbehörden schnell unterbunden. Am heutigen Vormittag wurden schließlich die Eingangstüren der Senderzentralen durch Polizeibeamten versiegelt und die Redaktionsinventare konfisziert. Unter den Sendern sind unter anderem der kurdischsprachige Kindersender Zarok TV und das vielbeachtete, regierungskritische IMC TV. Schließungen von TV Anstalten, wie IMC TV, der stets kritisch, u.a. von den Angriffen der Regierung auf die Bevölkerung in den kurdischen Gebieten der Türkei berichtet hat, sind zum Alltag der Türkei geworden.
Im Rahmen der gestrigen Proteste gegen die Feierlichkeiten der AfD zum Tag der Deutschen Einheit wurde ein Stuttgarter Antifaschist festgenommen. Am heutigen Dienstag wurde dieser nun dem Haftrichter vorgeführt. Obwohl die Staatsanwaltschaft, bei Zahlung einer Kaution, keinen zwingenden Grund für eine Fortsetzung der Inhaftierung sah, ordnete Richter Schulze Untersuchungshaft für den Genossen an. Eine mögliche Gerichtsverhandlung wurde auf den 17. Oktober terminiert.
Über 500 Jahre nach der brutalen Eroberung der Azteken- und Inkagebiete, 125 Jahre nach dem letzten militärischen Massaker an Native Americans in den USA, und über 40 Jahre nach der gewalttätigen Unterdrückung revolutionärer bewegungen in den USA durch das Counter-Intelligiance -Programme (COINTELPRO), ist die längste Völkermord- und Kolonialgeschichte der Welt noch nicht beendet: Mord, Vertreibung, juristische Verfolgung, mangelhafte medizinische Versorgung, Zerstörung der Lebensräume und aufgezwungene Armut und Assimilation sind dabei nur ein paar Dinge, denen Indigene ausgesetzt sind.
Der Gefangene Leonard Peltier ist als ehemaliger Aktivist des American Indian Movement (AIM) eines der Opfer dieser anhaltenden repressiven Strukturen. Seit über 40 Jahren sitzt er stellvertretend für viele andere Indigene in den USA in Haft, die es wagten, ähnlich wie die Black Panthers mit der AIM gegen rassistische und tödliche Polizeigewalt aufzustehen. Peltiers behauptete Tatschuld am Tod zweier FBI Beamten im Jahr 1975 wurde nie nachgewiesen. Heute ist er ein kranker Mann. Die vielen Jahre in den Zellen verschiedener Hochsicherheitsgefängnisse haben seine Gesundheit ruiniert. Da weder Indizien noch Zeugenaussagen seine behauptete Tatschuld belegen, reichte Ramsey Clark, ehemaliger Justizminister der USA, schließlich 1993 ein Begnadigungsgesuch beim US- Präsidenten ein, der theoretisch dazu befugt ist, diese auszusprechen.
"Hallo Leute, liebe Genossinnen und Genossen, Freunde und Freundinnen
Ganz kurz ein paar Gruesse aus dem derzeit eher regnerischen Caracas, nachmittags 2 Stunden Regen, ansonsten Sonne und Nachts ein schoener, riesengrosser Vollmond.
Vor 2 Monaten wurde ich ploetzlich und entgegen aller Prognosen unter Auflagen freigelassen. An dieser Situation hat sich bis heute nichts veraendert. Ich versuche mich hier in eine Situation einzuleben, in Venezuela, einem Land, das ich gut kenne, aber nach 2 Jahren Knast kaum wiedererkennen kann. In meine alten politischen Strukturen kann ich zur Zeit nicht zurueckkehren; so versuche ich also, hier in Caracas politisch an Land zu kommen, was mir nach und nach auch gelingt. ich bin superfroh, wieder auf freiem Fuss zu sein, auch wenn meine Bewegungsfreiheit etwas eingeschraenkt ist und geniesse meine immer noch neue Situation mit jedem Atemzug.
Es freut mich, nach nunmehr mehr als 20 Jahren mitzubekommen, dass es immer noch politisch links(radikale) Stroemungen gibt, die sich dem neoliberalen Mainstream entgegenstemmen. Bleibt dabei, bleibt Euch treu! Wir brauchen uns, um politisch und kulturell zu wachsen, mehr zu werden! Von hier aus auch ein lieber Gruss und eine feste Umarmung an P. und T. Haltet durch - Alles wird gut"
Das Hans-Litten-Archiv hat eine neue Broschüre zur Geschichte der Roten Hilfe herausgegeben:
"Helft den Gefangenen in Hitlers Kerkern"
Die Rote Hilfe Deutschlands in der Illegalität ab 1933
Die Rote Hilfe Deutschlands war schon in der Weimarer Republik eine große linke Solidaritätsorganisation, die Ende 1932 fast eine Million Mitglieder umfasste. Trotz ihrer engen Verbindung zur KPD unterstützten Menschen aus verschiedenen Spektren der ArbeiterInnenbewegung ebenso wie linke Prominente die Hilfe für die politischen Gefangenen und ihre Familien oder einzelne Kampagnen der Roten Hilfe. Nach dem Verbot im Frühjahr 1933 arbeiteten viele RHD-AktivistInnen in der Illegalität weiter - teils in losen Zusammenhängen, teils in gut vernetzten Kleinzellen, die mit dem Zentralvorstand und den zuständigen Bezirksleitungen in Austausch standen. Für die zahllosen KZ-Häftlinge und ihre Angehörigen wurden Spenden gesammelt, verfolgte AktivistInnen und untergetauchte FunktionärInnen mussten mit illegalen Quartieren versorgt oder heimlich über die Grenze ins Exil gebracht werden. Im benachbarten Ausland organisierten Büros der RHD Schlafplätze und materielle Hilfe für die EmigrantInnen und unterstützten die konspirativen Gruppen im Reichsgebiet mit Druckschriften und Geld. Die Widerstandsgruppen der Roten Hilfe erstellten Zeitungen und verteilten Flugblätter, die zum Protest gegen den NS-Terror aufriefen und die praktische Solidaritätsarbeit propagierten. Im antifaschistischen Untergrund ab 1933 waren auffallend viele Frauen aktiv, die nach den Verhaftungen prominenter - meist männlicher - RHD-Mitglieder zentrale Funktionen in der Organisation übernahmen, aber auch "unauffällige" Hintergrundarbeit leisteten. Selbst nach der offiziellen Auflösung der Roten Hilfe Deutschlands im Jahr 1938 führten dezentrale Strukturen die Unterstützung für die Verfolgten fort. Mit der Broschüre soll der heute fast vergessene Widerstand der Roten Hilfe gegen den NS-Terror in Erinnerung gerufen werden.
Silke Makowski
Schriftenreihe des Hans-Litten-Archivs zur Geschichte der Roten Hilfe – Band I
Verlag Gegen den Strom
Brosch. A4, 120 S.
ISBN 3-9809970-4-9
Zu beziehen über den Rote Hilfe Literaturvertrieb
Gegenüber den staatlichen Repressionsorganen keine Angaben zu machen, ist immer die richtige Entscheidung. Warum das selbstverständlich sein muss, wie man sich als Beschuldigte*r oder Zeug*in bei Polizei, Gericht und Staatsanwaltschaft verhalten sollte und welche Konsequenzen sich daraus ergeben können, erfahrt ihr in unserer überarbeiteten Broschüre zum Thema Aussageverweigerung.
Die Broschüre könnt ihr hier herunterladen oder in gedruckter Form beim Literaturvertrieb bestellen.
Aus dem Vorwort: "Die vorliegende Broschüre thematisiert unterschiedliche Situationen, in denen Aussageverweigerung besonders wichtig ist und versucht somit einen Beitrag zur Vorbereitung auf eben diese Situationen zu leisten. Darüber hinaus geht es darum, die Gefahren, die von Aussagen ausgehen, aufzuzeigen und so die individuelle Entscheidungsfähigkeit zu stärken. Wir verordnen keine Dogmen und verpassen keine Maulkörbe, vielmehr zeigen wir auf und begründen, warum Aussageverweigerung im Repressionsfall politisch sinnvoll ist. Wir hoffen, hiermit einen Beitrag dazu zu leisten, dass Aussageverweigerung weiterhin und noch mehr als integraler Bestandteil linker Politik begriffen und praktiziert wird. Konsequente Aussageverweigerung bei Polizei, Staatsanwaltschaft, Gericht und Staatsschutz ist nicht nur ein äußerst effektives Mittel zur Selbstverteidigung linker Strukturen. Sie ist darüber hinaus auch ein offensives und starkes politisches Statement."