Direkt zum Inhalt
04.11.2022

„Amtshilfe“ für den Geheimdienst: Ordnungsamt unterstützt Spitzel-Suche

Immer wieder kommt es in einzelnen Bundesländern oder Städten zu Anwerbeversuchen des Inlandsgeheimdiensts: die Mitarbeiter*innen des so genannten Verfassungsschutzes (VS) nötigen politische Aktivist*innen, mit ihnen zusammenzuarbeiten und Informationen über Strukturen, Bewegungen und Einzelpersonen zu liefern. Dabei bekommt der Geheimdienst bisweilen offene Unterstützung durch vollkommen andere Behörden – auf mehr als fragwürdiger Rechtsgrundlage, wie ein Fall aus Frankfurt zeigt, in dem das Ordnungsamt den Betroffenen zu einem Termin bestellte.

 Im September 2022 erhielt ein Frankfurter  Mitglied der »Kommunistischen Organisation« überraschenderweise einen Anruf des Ordnungsamts, das ihn zu einem Termin wegen einer nicht näher erläuterten „amtlichen Angelegenheit“ einlud. Als der linke Aktivist am vereinbarten Tag die Behörde betrat, wurde er in einen Seitenraum verwiesen, in dem ihn zwei Mitarbeiter des Inlandsgeheimdiensts aufforderten, als Informant für sie tätig zu werden. Der Betroffene wies das Ansinnen entschieden zurück und beendete das Gespräch umgehend.

Mit diesem Vorfall hat sich eine andere Behörde ohne jegliche Rechtsgrundlage vor den Karren des so genannten Verfassungsschutzes spannen lassen und unter Vortäuschung falscher Tatsachen den Betroffenen einbestellt. Damit weicht das geheimdienstliche Vorgehen bei der Suche nach Spitzeln hier deutlich vom Standard ab: In der Regel finden Anwerbeversuche an der Wohnungstür bzw. im Wohnumfeld statt oder – etwas seltener – am Arbeits- oder Ausbildungsplatz, um zusätzlichen Druck zu erzeugen. Allen gemein ist aber, dass die VS-Beamt*innen versuchen, die Betroffenen zu überrumpeln und sie für eine dauerhafte Mitarbeit als Informant*innen zu gewinnen. Dabei setzt der Geheimdienst manchmal auf materielle Angebote wie Bargeld, auf „Hilfe“ bei bevorstehenden Strafprozessen oder bei der Suche nach einem Studienplatz – oder auch auf unverhohlene Drohungen.

Auch wenn der Frankfurter Anwerbeversuch ungewöhnlich ist, gab es vereinzelte Fälle von „Amtshilfe“ schon durch andere Institutionen: Insbesondere die Ausländerbehörden taten sich hier unrühmlich hervor, indem sie in der Vergangenheit mehrfach migrantische Aktivist*innen – etwa aus der kurdischen oder türkischen Linken – zu Terminen luden, die sich dann als Anwerbeversuche des VS entpuppten. Durch die infame Drohung mit dem Aufenthaltsstatus sollten die Betroffenen zur Kooperation mit dem Geheimdienst gezwungen werden.

 „Dass andere Behörden das Spitzelunwesen und die Umtriebe des Geheimdienstes so offen befördern, ist ein Skandal und muss umgehend aufhören. Der so genannte Verfassungsschutz ist in erster Linie durch seine Verstrickungen in rechte Netzwerke bekannt und muss aufgelöst, nicht unterstützt werden“, kommentierte Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V. den Frankfurter Vorfall. „Indem der Betroffene diesen Anwerbeversuch sofort abbrach und ihn öffentlich machte, hat er genau richtig gehandelt, denn nichts scheut der Geheimdienst so sehr wie das Licht der Öffentlichkeit. Wir solidarisieren uns mit dem Genossen und allen anderen linken Aktivist*innen, die ins Visier des VS geraten.“