Bundesverfassungsgericht lehnt Prüfung des Linksunten-Verbots ab
Das Bundesverfassungsgericht hat eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Verbots von linksunten. indymedia.org gescheut. In einem kürzlich veröffentlichen Beschluss sprachen sie fünf Betroffenen das Recht ab, die vom Bundesinnenministerium getroffene Entscheidung über das Verbot der Nachrichten-Plattform inhaltlich überprüfen zu lassen. Zahlreiche juristische Verbände und politische Organisationen hatten das 2017 erlassene Verbot als Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit immer wieder scharf kritisiert.
Um das seit 2008 bestehende Nachrichtenportal abzuschalten, konstruierte das Bundesinnenministerium (BMI) unter der Führung von Thomas de Maziere einen Verein, der linksunten. indymedia.org betrieben haben soll. Allein, einen solchen Verein gab es nie. Zeitgleich eröffnete die Staatsanwaltschaft Karlsruhe ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB gegen fünf mutmaßliche Betreiber*innen. Die Betroffenen wollten in mehreren Klagen gegen die Maßnahmen des Verbotsverfahrens klagen, die neben dem Verbot selbst auch die erfolgten Durchsuchungen und Beschlagnahmen bei ihnen selbst beinhalteten. Die lehnte nun auch das Bundesverfassungsgericht ab, da nur der konstruierte Verein ein Klagerecht habe. Für die Betroffenen hätte das bedeutet, sich selbst weiteren strafrechtlichen Konsequenzen auszusetzen.
Die Betroffenen beriefen sich darauf, dass es sich bei linksunten. indymedia.org um ein Nachrichten- und Kommunikationsportal handelte, die dem grundgesetzlich gewährleisteten Schutz der Pressefreiheit unterliegt. Das Verbot wurde ausschließlich mit Medieninhalten begründet. Das BMI behauptete nur die hinter linksunten. indymedia.org stehende Personenvereinigung habe verbieten zu willen, nicht aber das Portal selbst. Dies steht den aufgeheizten politischen Begründungen nach den G20-Protesten in Hamburg damals entgegen. „Das eigentliche Ziel des BMI war und ist die Abschaltung der Plattform, die dem BMI ein Dorn im Auge war. Das Vereinsgesetz war ein rechtswidrig angewendetes Mittel zum Zweck – es hätte das Telemediengesetz Anwendung finden müssen und eine vollumfängliche Grundrechtsprüfung ermöglicht“, sagt eine der Prozessbevollmächtigten.
Erfolgreich war hingegen die Klage der KTS Freiburg, die auch Ziel der Razzien im Zuge des Verbots von linksunten. indymedia.org wurden. 2020 erklärte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Durchsuchung als illegal. Die beschlagnahmten Asservate und das Geld mussten herausgegeben werden. Soweit bekannt, wurden auch alle Strafverfahren zwischenzeitlich eingestellt.
Für Anja Sommerfeld, Bundesvorstand der Roten Hilfe, gibt das Verfahren den handelnden Behörden einen Freibrief, um politisch missliebige Inhalte zu verbieten. „Um das Verbot von linksunten. indymedia.org durchsetzen zu können, hat das Innenministerium einen Verein konstruiert, der nie existierte. Nun lehnen die Gerichte eine Prüfung des Verbotes ab, weil nur der verbotene Verein klageberechtigt sei. Das Gericht führt die Situation damit ad absurdum.“
Mit dem Urteil werden Grundrechte ausgehebelt, sagt Sommerfeld. „Das Verbot von linksunten.indymedia war und ist ein Angriff auf die Pressefreiheit. Dass das Bundesverfassungsgericht der Kriminalisierung alternativer Medien keinen Riegel vorschiebt, ist ein Skandal.“