Erneute Kriminalisierung in Stuttgart: Prozess gegen Chris am 25. März 2022
Wieder steht in Stuttgart ein linker Aktivist vor Gericht. Vor dem Landgericht Stuttgart versucht die baden-württembergische Justiz ab dem 25. März im Verfahren gegen Chris eine mehrjährige Haftstrafe zu erreichen und sein politisches Engagement zu kriminalisieren.
Bereits in der ersten Instanz am 28. Juli 2020 hatte das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt den Aktivisten wegen Landfriedensbruchs zu acht Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt, weil er sich am Silvesterspaziergang an der JVA Stammheim 2018 beteiligt hatte. Konkret vorgeworfen wurde ihm, maßgeblich die Abläufe der Versammlung koordiniert zu haben.
Zusätzlich laufen gegen Chris noch weitere Verfahren, so dass mit großer Sicherheit eine Haftstrafe droht: ihm wird vorgeworfen, am 20. Februar 2020 an einer antifaschistischen Spontandemonstration anlässlich des rassistischen Terroranschlags in Hanau teilgenommen zu haben. Zudem soll er laut Anklage an einer Auseinandersetzung mit Nazis der „Identitären Bewegung“ am Rand einer „Querdenken“-Kundgebung im Mai 2020 beteiligt gewesen sein.
Gleichzeitig ist Chris bereits im Kontext der Besetzung von Wohnungen in der Wilhelm-Raabe-Straße 2018 auf Bewährung gewesen und schon in früheren Jahren war Chris wiederholt ins Fadenkreuz der staatlichen Repressionsorgane geraten, saß 2011 mehrere Monate in Untersuchungshaft und wurde immer wieder mit Verfahren überzogen. Mit dem jetzigen Prozess und der drohenden Haftstrafe will die Stuttgarter Justiz einen Aktivisten und Kommunisten einschüchtern und mundtot machen – eine Strategie, die in der baden-württembergischen Landeshauptstadt zum erschreckenden Alltag gehört. Regelmäßig werden die linke und insbesondere die antifaschistische Bewegung in Stuttgart mit Ermittlungsverfahren und anderen Repressalien überzogen, und die Justiz schreckt auch vor Haftstrafen nicht zurück: Derzeit sitzen mit Dy und Findus zwei Stuttgarter Antifas in Haft, und Jo wurde zu einer viereinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt.
Doch nicht nur das aktive Eintreten gegen Nazis ist im Visier der Verfolgungsbehörden, wie ein Blick auf zeitgleich laufende Prozesse zeigt. Ebenfalls am 25. März ist der zweite Prozesstag von Merdan K., der wegen seines politischen Engagements für die kurdische Bewegung nach dem Gummi-Paragrafen 129b in Stuttgart-Stammheim inhaftiert ist. Am selben Tag wird zudem eine weitere Gefälligkeitsgeste für das türkische Erdoğan-Regime verhandelt: Die kurdische Ärztin Esra Y., die medizinische Hilfe in Rojava leistete und bei der Bombardierung einer Krankenstation schwer verletzt wurde, wurde vom türkischen Staat als „Terroristin“ verfolgt. Ihr gelang die Flucht in die Bundesrepublik, doch ihr Antrag auf politisches Asyl wurde abgelehnt, wogegen sie ebenfalls am 25. März 2022 in Stuttgart klagt.
„Stuttgart arbeitet erfolgreich an seinem Ruf, die repressivste Stadt der BRD zu sein. Die anhaltende Kriminalisierung von linken Aktivist*innen ist ein besonders herausstechendes Beispiel und zeigt sich einmal mehr im anhaltenden Verfolgungseifer gegen Chris, der sich immer weiter steigert“, erklärte Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V. „Wir stehen solidarisch an seiner Seite und rufen dazu auf, den Prozess von Chris am 25. März kollektiv zu begleiten.“
Vor dem Prozess findet eine Solidaritätskundgebung um 10 Uhr vor dem Landgericht Stuttgart (Olgastraße 2) statt.