Grundrechte für Lehrer*innen untersagt: Gegen die Neuauflage der Berufsverbote-Praxis!
Konkret wirft das bayerische Kultusministerium der Lehramtsstudentin vor, an Klimaprotesten und anderen politischen Aktionen beteiligt gewesen zu sein. In mehreren Fällen wurden dabei Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet – was die eingesetzten Beamt*innen bekanntlich stets in hoher Zahl tun. Als Sprecherin des Offenen Antikapitalistischen Klimatreffens München trat die Aktivistin vor allem bei den Protesten gegen die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) in Erscheinung und stellte sich mehrfach als Anmelderin von Großdemonstrationen gegen rechts zur Verfügung.
Diese Mitwirkung an politischen Bewegungen und die Ausübung demokratischer Grundrechte werden ihr nun zum Vorwurf gemacht, um ihre Berufspläne und ihre wirtschaftliche Grundlage zu zerstören. Neben den Protesten gegen den Braunkohleabbau in Lützerath und gegen die IAA in München führt das Ministerium eine kapitalismuskritische Äußerung ins Feld: Indem sie die Auto-Messe als „Symbol für Profitmaximierung auf Kosten von Mensch, Umwelt und Klima“ bezeichnete, habe sie die freiheitlich-demokratisch Grundordnung verlassen. Wer den Begriff „Profitmaximierung“ benutzt, ist demnach zu kapitalismuskritisch, um für das Lehramt geeignet zu sein.
Das Vorgehen lässt die Praxis der Berufsverbote der 1970er/80er wiederauferstehen: Mit dem „Radikalenerlass“ wurde vor exakt 53 Jahren – am 28. Januar 1972 – die Regelüberprüfung von Bewerber*innen für den Staatsdienst und von Angestellten im öffentlichen Dienst eingeführt. Damit schuf sich die damalige Bundesregierung ein gewaltiges Instrument zur Einschüchterung der linken Bewegungen, gegen die sich der Erlass richtete: Bis Ende der 1980er wurden auf dieser Grundlage Informationen über 3,5 Millionen als Oppositionelle verdächtigte Menschen beim politischen Inlandsgeheimdienst abgefragt. Gegen etwa 1250 Betroffene, in der Regel Lehramtsstudierende, wurden wegen ihres Engagements in linken Zusammenhängen Berufsverbote verhängt. Rund 260 Angestellte des öffentlichen Diensts, die beispielsweise bei der Bundespost oder Bundesbahn arbeiteten, verloren ihre Arbeit. Während die Bundesregierung die Regelabfragen 1985 einstellte, führten einzelne Bundesländer sie weiter fort – Bayern schaffte die Massenüberprüfungen erst 1991 ab.
Ab 2004 wagte das baden-württembergische Oberschulamt einen neuen Vorstoß und verhängte ein Berufsverbot gegen einen Heidelberger Aktivisten, das aber 2007 letztinstanzlich für unrechtmäßig erklärt wurde. Seither bemühten sich verschiedene Bundesländer darum, diese Repressionsmaßnahme neu zu beleben.
„Offensichtlich reicht den Repressionsorganen das Strafrecht nicht mehr aus, wenn es darum geht, linke Bewegungen einzuschüchtern und Aktivist*innen mundtot zu machen. Erneut greifen die Behörden darauf zurück, Lebensentwürfe und wirtschaftliche Grundlagen von Menschen zu zerstören, die von ihren Grundrechten Gebrauch machen und gegen gesellschaftliche Missstände protestieren“, erklärte Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V. „Es besteht die Gefahr, dass diesem Fall weitere folgen werden.“ Sommerfeld schloss mit dem Appell: „Wir müssen diesem neuerlichen Versuch, missliebige Proteste und engagierte Menschen durch Berufsverbote zu knebeln, gemeinsam entgegentreten. Wir fordern alle auf, gegen diesen Frontalangriff auf elementare Grundrechte entschieden zu protestieren!“