Kampfansage an Versammlungsfreiheit: Razzien gegen antifaschistische Demonstrant*innen
Die von der Staatsanwaltschaft Gera in Auftrag gegebenen Durchsuchungen wurden bewusst spektakulär inszeniert und martialisch durchgeführt: Mit Rammen zerstörten maskierte und behelmte Beamt*innen in den frühen Morgenstunden die Türen, und in mehreren Fällen wurden die Betroffenen gefesselt. Selbst ein als „neutraler“ Zeuge auftretender Mitarbeiter des Ordnungsamts trat nur vermummt auf. Teilweise setzte die Polizei während der stundenlangen Durchsuchungen sogar Spürhunde ein.
Schwerpunkte des Repressionsschlags waren Thüringen und Sachsen, aber auch in anderen Bundesländern drangen Beamt*innen in Wohnungen von Aktivist*innen ein, die am 1. Mai in Gera protestiert haben sollen. Beschlagnahmt wurden in erster Linie Mobiltelefone, Computer und Datenträger. Außerdem fotografierten die Einsatzkräfte dunkle Kleidungsstücke.
Konkret vorgeworfen wird den Antifaschist*innen in der Regel ausschließlich Landfriedensbruch, also die Teilnahme an einer Versammlung, aus der heraus kriminalisierbare Handlungen verübt wurden, sowie ein Verstoß gegen das Uniformverbot. Letzterer soll darin bestehen, dass die Demonstrant*innen dunkle Kleidung getragen haben sollen, woraus die Repressionsbehörden nun eine „Uniform“ des „schwarzen Blocks“ konstruieren wollen. Nach welchen Kriterien die Staatsanwaltschaft die von den Durchsuchungen Betroffenen ausgewählt hat, bleibt schleierhaft.
„Die flächendeckenden Razzien gegen Menschen, denen einzig vorgeworfen wird, sich einem rechten Aufmarsch entgegengestellt zu haben, stellen eine neue Dimension der willkürlichen staatlichen Schikanierung dar, der die antifaschistische Bewegung ausgesetzt ist“, kommentierte Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V. die Durchsuchungen.
Doch Sommerfeld erkennt darin weitergehende Konsequenzen: „Indem sie die bloße Teilnahme an einer Demonstration mit derart martialischen Repressionsmaßnahmen bedrohen, wollen die Behörden offenbar systematisch das Versammlungsrecht noch weiter aushöhlen. Es ist ein ähnlicher Vorstoß wie bei den Rondenbarg-Prozessen nach der Anti-G20-Demonstration 2017, bei dem die Teilnehmer*innen wegen ‚ostentativen Mitmarschierens‘ und ‚psychologischer Beihilfe‘ kriminalisiert werden. Geht es nach dem Willen von Polizei und Staatsanwaltschaft, muss den Betroffenen künftig keine individuelle Straftat mehr nachgewiesen werden. Stattdessen können alle bei einer Demonstration Anwesenden für die Aktionen Einzelner haftbar gemacht werden. Das ist eine Kampfansage an das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit.“
Abschließend erklärte Anja Sommerfeld: „Das staatliche Kalkül, durch diese Razzien die antifaschistische Bewegung einzuschüchtern und zu lähmen, wird nicht aufgehen. Den Repressionsangriffen stellen wir unsere Solidarität entgegen.“