Keine Auslieferung nach Ungarn: Rote Hilfe fordert Ende der Verfolgung gegen Antifaschist*innen
Konkret beschuldigt werden sie, sich im Februar 2023 an den Protesten gegen das NS-verherrlichende Nazi-Großevent „Tag der Ehre“ in Budapest beteiligt zu haben. Am Rand der Veranstaltung war es zu körperlichen Auseinandersetzungen mit mehreren bekannten Neonazis gekommen. Drei Antifaschist*innen wurden damals in Budapest mit diesen Vorwürfen verhaftet, und gegen weitere fahnden die ungarischen Behörden seither mit europäischen Haftbefehlen. In Ungarn drohen den Aktivist*innen offen politische Gerichtsprozesse, die jedem Minimalanspruch an Rechtsstaatlichkeit Hohn sprechen, und bis zu 24 Jahre Haft unter menschenunwürdigen Bedingungen. Deshalb sind viele Beschuldigte untergetaucht, um dieser Verfolgung zu entgehen.
Im Gegensatz zur italienischen Justiz, die angesichts der Zustände in Ungarn keine Staatsbürger*innen mehr ausliefert, leisten die deutschen Behörden bereitwillig Schützenhilfe: Sie überziehen nicht nur die gesuchten Antifaschist*innen, sondern auch ihr politisches und soziales Umfeld und ihre Familien mit Repression. Systematisch werden dabei selbst grundlegende Rechte ausgehebelt und offen gegen Minimalstandards verstoßen wie im Fall von Maja: Die non-binäre Person, die ebenfalls im Budapest-Komplex beschuldigt ist, wurde im Juni 2024 nach Ungarn ausgeliefert, obwohl der Anwalt Rechtsmittel eingelegt hatte und offensichtlich war, dass Maja im queerfeindlichen Ungarn lebensbedrohlichen Gefahren ausgesetzt ist.
Gerade die Auslieferung wurde und wird von den deutschen Repressionsorganen gezielt eingesetzt, um die Aktivist*innen und ihr Umfeld zu erpressen. Bereits vor über einem halben Jahr hatten die Anwält*innen der sieben Antifas, die sich heute gestellt haben, der Bundesanwaltschaft (BAW) mitgeteilt, dass die Beschuldigten sich stellen würden gegen die Zusicherung, nicht an Ungarn ausgeliefert zu werden. Dieses Angebot lehnte die BAW ab und forderte im Gegenzug von den Aktivist*innen, auf grundlegende Rechte als Angeklagte zu verzichten und ein umfassendes Geständnis abzulegen. Damit machte sie deutlich, dass sie die brutalen Verfolgungsmaßnahmen des rechten Orbán-Regimes gerne nutzt, um die hiesige antifaschistische Bewegung massiv einzuschüchtern und Strukturen zu zerschlagen. Selbst wenn Prozesse hier geführt werden, schreckt die Justiz selbst vor den absurdesten Vorwürfen nicht zurück: So ist die Nürnbergerin Hanna, die ebenfalls an den antifaschistischen Aktionen in Budapest beteiligt gewesen sein soll, vor dem Oberlandesgericht München wegen versuchten Mordes angeklagt.
Trotz dieser Umstände entschieden sich sieben der Untergetauchten nun zu einem selbstbestimmten gemeinsamen Schritt: Am späten Vormittag des 20. Januar stellten sich die Antifaschist*innen zeitgleich in Hamm, Köln, Kiel und Bremen und werden demnächst den Haftrichter*innen vorgeführt.
„Wir stehen solidarisch an der Seite der sieben Genoss*innen, die sich entschlossen haben, aus der Illegalität zurückzukehren – ebenso wie unsere Solidarität allen gilt, die sich weiterhin dem hemmungslosen staatlichen Verfolgungseifer entziehen“, erklärte Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V. „Die Hatz der Repressionsorgane gegen Antifas und die Drohung mit Auslieferungen müssen ein Ende haben! Wir fordern sofortige Zusicherungen, dass die Aktivist*innen nicht an Ungarn überstellt werden. NoExtradition – Freiheit und Glück für alle inhaftierten und untergetauchten Antifas!“