Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Türkei/Kurdistan.
Ihr könnt die Zeitung im Bahnhofsbuchhandel kaufen oder im Literaturvertrieb bestellen. Mitglieder bekommen die Zeitung zugeschickt.
Außerdem ist sie wie alle Ausgaben seit 3/2011 auch als PDF-Download verfügbar.
Weiterlesen...
Wir dokumentieren das gemeinsame Grußwort mit der DKP und SDAJ an unsere Ortsgruppe Hannover, die am Freitag ihr 20jähriges Bestehen gefeiert hat:
"Liebe Genossinnen und Genossen,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
es gibt nicht viel zu feiern in diesem Jahr. Wenn Faschisten, von der Leine gelassen, morden. Wenn Polizeigesetze uns alle – von der antikapitalistischen Aktivistin, über den streikenden Arbeiter, bis zum Fußballfan – als sogenannte Gefährder polizeilicher Willkür ausliefern. Wenn das Kapital die höchstselbst verursachte nächste Wirtschaftsflaute wittert und nach österreichischen Verhältnissen und der 60-Stunden-Woche geiert. Wenn die NATO das 2%-Ziel auslobt und der deutsche Militarismus eigentlich gar kein Stichwort braucht, um sich um Aufrüstung zu bemühen, auf dass der deutsche Imperialismus wieder mit dem Gewehr Töne angeben kann in der Welt.
Überall das können weder der Einheitssermon der vergangenen Woche, noch das Abfeiern der undemokratischen und neoliberalen Troika-EU im Zuge der Wahlen in diesem Frühjahr hinwegtäuschen.
Aber dass es wenig zu feiern gibt, heißt nicht, dass es nichts zu feiern gibt: 20 Jahre Rote Hilfe in Hannover!
Es gibt sie noch, trotz der Bestrebungen von Seehofer und Co., sie zu verbieten. Es gibt sie, genauso wie es die praktische Solidarität unter den Linken noch gibt – daran hat sich die Rote Hilfe seit ihrer Erstgründung 1924 mitverdient gemacht. Und es gibt dadurch in all der Existenzangst und der Abwehrkämpfe gegen den allgemeinen Rechtsruck noch den Vorschein auf eine bessere, eine ausbeutungs- und unterdrückungslose Gesellschaft.
Seit 20 Jahren leistet die Rote Hilfe in Hannover mit ihrer praktischen Arbeit einen wichtigen Beitrag, dass die Perspektive, die Welt nicht einfach interpretiert, sondern verändert werden muss, auf der Tagesordnung bleibt.
Wir, die Deutsche Kommunistische Partei - DKP und die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ), wünschen der Roten Hilfe „Happy Birthday!“ und viel Kraft für die politische Arbeit von morgen, von der wir hoffen, dass wir sie gemeinsam und in Solidarität angehen werden! Rotfront!"
Hannover, 11.10.2019
Seit nunmehr genau drei Monaten sitzen in Hamburg zwei linke Aktivisten unter dem Vorwurf im Gefängnis, brennbare Flüssigkeit bei sich getragen zu haben, woraus die Staatsanwaltschaft die Vorbereitung einer Brandstiftung konstruiert. Der Haftbefehl gegen die dritte Genossin, die gemeinsam mit ihnen festgenommen worden war, wurde gegen Meldeauflagen außer Vollzug gesetzt. Als Superwaffe der Repressionsorgane dient erneut der Bezug zum G20-Gipfel in Hamburg, der in den vergangenen Jahren regelmäßig als Begründung für die unsäglichsten Kriminalisierungsmaßnahmen herhalten muss.
Die drei Linken waren am 8. Juli 2019 in einer Hamburger Grünanlage auf einer Parkbank verhaftet worden, was den Auftakt zu einer brutalen nächtlichen Duchsuchungswelle in verschiedenen Stadtteilen bildete. Die eingesetzten Polizeikräfte traten Wohnungstüren ein und demolierten Einrichtungsgegenstände, und die von der Razzia Betroffenen wurden teilweise mit vorgehaltener Waffe aus den Betten geholt. Die „drei von der Parkbank“ wurden zwei Tage später dem Haftrichter vorgeführt, der gegen zwei Aktivisten unter Missachtung jeder Verhältnismäßigkeit Untersuchungshaft anordnete; sie werden seitdem in der JVA Holstenglacis festgehalten.
In den vergangenen Tagen wurden erneut sechs linke Aktivist*innen mit deutscher Staatsangehörigkeit in der Türkei aus politischen Gründen festgenommen. Wie bei Tausenden anderen Oppositionellen werden auch gegen sie die Standardvorwürfe „Verdacht der Verbreitung von Propaganda“ und „Zugehörigkeit zu einer illegalen Organisation“ – gemeint ist wie so oft die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) – in Anschlag gebracht. Vermutlich dienen wieder einmal AKP-kritische Kommentare in sozialen Netzwerken als Anlass für die Kriminalisierung. Während vier der Betroffenen am heutigen Tag aus dem Gefängnis entlassen wurden, aber die Türkei nicht verlassen dürfen, bleiben zwei weiterhin in Haft, darunter die Hamburgerin Nebahat Yildirim, deren Ehemann Vorsitzender der Kurdischen Gemeinde ist.
"Schutzhaft" nach rechtsradikalem Protest in Sofia.
Australische Botschaft blamiert sich durch Stümperei.
Der Fall steht auf des Messers Scheide. Laut einer Meldung des Guardian, will das Oberste Berufungsgericht Bulgariens am Montag, 7. Oktober über die Freilassung Jock Palfreemans entscheiden.
Es ist jetzt wichtig, Druck auf die bulgarischen Behörden aufzubauen - etwa mit Anrufen und Emails an die Bulgarische Botschaft in Berlin: Telefon: +49.30 201 | Fax: +4930 208 68 38 | 0922 | This e-mail address is being protected from spambots. You need JavaScript enabled to view it. This e-mail address is being protected from spambots. You need JavaScript enabled to view it.This e-mail address is being protected from spambots. You need JavaScript enabled to view it.;
Jock sollte nach einer überraschenden Wendung bereits am 19. September auf Bewährung frei kommen, doch die Behörden gaben massivem Druck von Rechtsextremen und autoritären Nationalisten nach, deren langer Arm von Straßenterror durch faschistische Mobs in Bulgarien bis in die Regierungskoalition reicht. Eine Protestnote der Bulgarischen Richtervereinigung, die von 292 Richtern unterzeichnet wurde, hält fest: /"Der bulgarische Richter erhält ein klares und kategorisches Zeichen: Wenn er nicht in Übereinstimmung mit der öffentlichen Meinung und dem Willen der politischen Parteien und ihrer spezifischen politischen Führer entscheidet, wird er (oder sie) missbraucht, verleumdet, körperlich verfolgt und misshandelt."/
Nachdem sogar die Washington Post berichtete, schaltet sich auch die Australische Außenministerin *Marise Payne* am Rande der jüngsten UN Vollversammlung offiziell ein, um Jock Palfreemans Freilassung zu erreichen. Endlich. Der Australische Staat glänzte auffällig lange durch Arbeitsverweigerung. Nun sagte Payne: /"Ich bin fest überzeugt, dass er im Einklang mit bulgarischem Recht die Erlaubnis bekommen sollte, unverzüglich nach Australien zurück zu kehren."/ Währenddessen belegen neu aufgetauchte Aufnahmen der Tatnacht 2007 offenbar Jocks Aussagen, dass er von einer Gruppe von Angreifern schwer attackiert wurde. Jock wurde als Mörder verurteilt, obwohl er offensichtlich in Selbstvertreidung handelte. Überraschenderweise kam am 19. September 2019 Bewegung in den Fall.
Jock Palfreemans Antrag auf vorzeitige Haftentlassung kam plötzlich durch - nachdem der australische Antifaschist und Mitbegründer der ersten bulgarischen Gefangenengewerkschaft BPRA elf von 20 Jahren wegen eines abgekarteten Mordprozesses abgesessen hatte. Grund dafür dürfte vor allem Berichterstattung und Solidarität aus dem Ausland sein - nicht zu letzt in der Rote Hilfe Zeitung - sowie besorgte Briefe und Protestnoten an bulgarische Behörden.
Die massenhaften Schulstreiks der „Fridays for Future“-Bewegung haben das Thema Klimagerechtigkeit mit Großdemonstrationen in die Innenstädte getragen und die notwendige gesellschaftliche Debatte weiter angefacht. Zehntausende Schüler*innen streiken hierzulande seit Monaten wöchentlich für Klimaschutz-Maßnahmen und organisieren riesige Protestmärsche und Podiumsdiskussionen. Beim globalen Klimastreik gingen vergangene Woche Millionen Menschen weltweit auf die Straße. Damit haben die vielfältigen Klimakämpfe, die seit Jahren an Bedeutung gewinnen, nochmals eine enorme Verbreiterung erfahren und insbesondere auch sehr junge Menschen aktiviert.
Schon gegen andere Aktionsformen und Initiativen aus diesem Themenbereich wie „Ende Gelände“ oder die Waldbesetzungen im Hambacher Forst hatte der Repressionsapparat zunehmend brutal durchgegriffen und von seinem gesamten Unterdrückungsarsenal Gebrauch gemacht: martialische Polizeieinsätze unter Einsatz von exzessiver Gewalt, monatelange Untersuchungshaft nach der Besetzung von Kohlebaggern und hohe Geldstrafen sollten die Betroffenen einschüchtern und die Bewegung schwächen.
Inzwischen nimmt der Staat auch die „Fridays for Future“ zunehmend als Bedrohung wahr und testet verschiedene Repressionsformen, um die jugendlichen Aktivist*innen von ihrem politischen Engagement abzuhalten. Erste Sanktionen waren Bußgelder, die im Fall von Versäumen des Unterrichts angedroht und in wenigen Einzelfällen auch verhängt wurden. Vorreiterin war dabei das Land Baden-Württemberg, dessen grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann ein politischer Unterstützer dieser absurden Maßnahme ist. Aufgrund breiter Massenproteste sah sich die Stadt Mannheim, die die Bußgelder verhängt hatte, Mitte Juli 2019 innerhalb weniger Stunden gezwungen, diese zurückzunehmen. Dennoch steht die Drohung mit Strafen im teilweise dreistelligen Bereich weiter im Raum.
Am 01. Oktober startet die Rote Hilfe e.V. die Kampagne ‚Solidarität verbindet‘. Das erklärte Ziel ist es, der gesamten Linken, den sozialen Bewegungen und der interessierten Öffentlichkeit die Ziele des seit über 40 Jahren bestehenden bundesweiten und strömungsübergreifenden Vereins für alle Linken näher zu bringen.
Die Kernarbeit der Roten Hilfe e.V. besteht in der Unterstützung von Repression betroffener linker Aktivist*innen. Die Vermittlung von solidarischen Anwält*innen sowie politische und finanzielle Unterstützung gehören zur Alltagsarbeit der Roten Hilfe e.V., die sie in über 50 Städten leistet.
Darüber hinaus tritt der Verein gegen Organisationsverbote und Gesetzesverschärfungen wie die neuen Polizeigesetze oder im Bereich des Asylrechtes ein. Politische Gefangene, die es entgegen den Verlautbarungen von Politik und Behörden durchaus auch in der BRD gibt, erhalten ebenfalls solidarische Unterstützung durch die Rote Hilfe e.V. Dabei geht es nicht darum, sich Inhalte oder Programmatik von Organisationen zu eigen zu machen, sondern dafür zu sorgen, dass Aktivist*innen im Fall von Repression nicht isoliert da stehen oder durch hohe Strafen ruiniert werden.
Leitgedanke der Vereinsaktivitäten ist die Solidarität unter Betroffenen und kollektive Gegenwehr im Fall von politischer Gesinnungsjustiz, die täglich zu beobachten ist.
Hierzu erklärt Anja Sommerfeld, Mitglied im Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.:
„Die Kampagne ‚Solidarität verbindet‘ soll unseren Verein ansprechbarer machen und unsere Forderungen und Inhalte auch in politischen Kreisen zur Diskussion stellen, in denen wir bisher noch nicht oder kaum vertreten sind. Eine zunehmend polarisierte Gesellschaft mit einem starken Rechtsruck braucht einen verbildlichen und kontinuierlich präsenten Solidaritätsverein mehr denn je. Die Kriminalisierung der Rettung von Menschenleben auf dem Mittelmeer, Anfeindungen gegen die Klimabewegung oder die Sanktionierung des Bekenntnisses zum Antifaschismus im Deutschen Bundestag sind sichtbare Ausdrücke dieser gesellschaftlichen Tendenz. Wir rufen dazu auf, die Rote Hilfe e.V. zu stärken und ihr beizutreten. Um unsere Arbeit abzubilden, haben wir beispielsweise eine Plakatreihe entworfen, die interessierten Bewegungen und Einzelpersonen einen direkten Eindruck unserer Kernarbeit vermitteln soll. Gerne stehen wir auch persönlich zur Diskussion zur Verfügung. Denn es werden auch über die Rote Hilfe e.V. viele Unwahrheiten verbreitet. Rechte aller Couleur fordern unser Verbot und dagegen setzen wir uns politisch zur Wehr. Wir laden alle Menschen ein, die ein Interesse an einer solidarischen Gesellschaft haben und für diese streiten, mit uns direkt in Kontakt zu treten und über Gemeinsamkeiten wie auch mögliche Differenzen zu diskutieren. Unabhängig von der konkreten politischen Ausrichtung oder Schwerpunktsetzung sollte im Fall von staatlichen Angriffen eines klar sein: Gemeinsam sind wir stärker und Solidarität verbindet.“
Zur Kampagnewebseite: https://www.solidaritaet-verbindet.de/
Wir dokumentieren im Folgenden die Pressemitteilung des Solikreis zum Berufungsverfahren:
*Kein Urteil im Berufungsprozess der drei in Frankreich inhaftierten Nürnberger – Prozess wird am 17.10. fortgesetzt – Anwälte beklagen massive Verfahrensfehler – Gerichtsgebäude durch Polizei gewalttätig geräumt.*
Am heutigen Freitag fand im französischen Pau das Berufungsverfahren der drei in Frankreich inhaftierten Nürnberger statt. Auf knapp 30 Seiten monierte die Verteidigung, bestehend aus Alice Becker, Raphael Kempf und Arié Alimi bereits zu Beginn massive Verfahrensfehler bei den bisherigen Vorgängen. Bis in den frühen Abend tagte das Gericht, ein Urteil fiel jedoch nicht. Die Weiterführung des Prozesses wurde auf den 17. Oktober vertagt.
Bis dahin verbleiben die drei jungen Nürnberger in Haft. Nach der Verhandlung ging die anwesende Polizei mit massiver Gewalt gegen die ProzessbeobachterInnen vor und drängte sie unter Einsatz von Pfefferspray aus dem Gerichtsgebäude. Bereits zu Beginn bot sich den ProzessbeobachterInnen ein martialisches Bild von Polizeiabsperrungen und- Präsenz rund um den Gebäudekomplex. Die Angeklagten wurden mit Handschellen und über einem Dutzend Beamter in den Gerichtssaal verbracht. „Auf die Anwesenden machte es den Eindruck, der französische Staat schaffe hier eine Szenerie, die darauf angelegt war, die drei jungen Menschen zu Terroristen zu stilisieren “, meint Christiane Brand aus dem Presseteam des Nürnberger Solikreises, der über den Tag stetig Kontakt zu den angereisten Angehörigen und FreundInnen hielt. Eine Solidaritätskundgebung vor dem Gericht erklärte den dreien ihre Unterstützung und auch die angereisten Eltern der drei sprachen zu den DemonstrantInnen.
Am Freitag, 27. September 2019 findet im französischen Pau der Berufungsprozess gegen drei linke Aktivisten aus Nürnberg statt, die unter faktisch rechtswidrigen Umständen seit über einem Monat in Frankreich in Haft sind. Anlass ihrer Inhaftierung sind keine kriminalisierbaren Handlungen oder auch nur Beweise für eine konkrete Planung von schweren Straftaten, sondern einzig und allein ihre politische Meinung. Dieses offensichtliche Beispiel für eine willkürliche Gesinnungsjustiz ist Teil der massiven Repressionsmaßnahmen, die die französischen Behörden rund um den G7-Gipfel im baskischen Biarritz ausübten.
Die drei jungen Männer waren auf der Durchreise durch Südfrankreich in den Urlaub, als sie am 21. August 2019 auf der Autobahn von der Polizei kontrolliert und in Gewahrsam genommen wurden. Vorgeworfen wurde ihnen, sie seien auf dem Weg zu den Protesten gegen das Gipfeltreffen, das drei Tage später begann. Um aus einem Grundrecht wie der Teilnahme an einer Versammlung einen Tatvorwurf zu drehen, argumentierten die Repressionsorgane, sie hätten zu dritt eine „gewalttätige Gruppe“ gegründet mit dem Ziel, bei den Aktionen gegen den G7 Straftaten zu begehen. Grundlage dafür ist ein in Frankreich massiv umstrittenes Gesetz aus dem Jahr 2010, das bereits die spontane Bildung solcher Gruppen unter Strafe stellt. Damit sind der willkürlichen Zuschreibung von „Gruppenbildung“ durch die Polizei und der Kriminalisierung jeder unerwünschten Ansammlung von oppositionellen Personen Tür und Tor geöffnet. Als Anlass, um drei durchreisende Heranwachsende auf diese Art zu verfolgen, wurde linke Literatur in ihrem Reisegepäck benutzt sowie die Tatsache, dass sie auf einer internen „Schwarzen Liste“ standen, die die französischen Behörden im Vorfeld des Gipfels über mögliche Gegner*innen erstellt hatten.
Die Reform des Hamburger Polizeirechts setzt neue Maßstäbe der Repression Keine Zeit für Fragen: Binnen weniger Wochen wollen SPD und Grüne in Hamburg ein neues, angeblich grundrechtsfreundliches Polizeigesetz durchpeitschen. Was sie als moderat bezeichnen, hat es in sich: Zwar müssen viele Maßnahmen, die in anderen Bundesländern auf massiven Protest gestoßen sind, in der Hansestadt nicht eingeführt werden – weil es sie dort schon lange gibt. Aber das Gesetz gibt der Hamburger Polizei vor allem die Möglichkeit, noch mehr als bisher Menschen aufgrund von Prognosen, Vermutungen und Spekulationen zu überwachen und zu verfolgen.
Der Gesetzentwurf soll bisher rechtlich nicht abgesicherte Praktiken der Polizei legalisieren, wobei damit die polizeiliche Arbeit immer weiter ins Vorfeld einer tatsächlichen „Gefahr“ verschoben wird. Eine große Diskussion ist zumindest in der parlamentarischen Auseinandersetzung nicht zu erwarten. Kaum hatte der Senat den Gesetzentwurf nach der Sommerpause veröffentlicht, wurde er schon im Plenum der Hamburgischen Bürgerschaft und weitere drei Wochen später im Innenausschuss abgehandelt. Dann noch eine schnelle Expert*innen-Anhörung, und schon ist das neue Gesetz wahrscheinlich bereits im Herbst durch. Damit hat sich Rot-Grün an der Elbe schlauer angestellt als andere Bundesländer, denn durch die hanseatische Eile wird eine öffentliche Diskussion wie anderswo faktisch verunmöglicht. So hatte in Bayern der gummiartige Begriff der „drohenden Gefahr“ enormen öffentlichen Protest ausgelöst, weil er unübersehbar so interpretationsfähig ist, dass er alles erlaubt. Eine solche gesetzlich unscharfe Norm wurde im Entwurf in Hamburg zwar vermieden, aber „Prävention“ ist der Begriff der Stunde, um Fußfesseln, gezielte Kontrollen und Überwachungssoftware zu legitimieren. Dies bedeutet jedoch nichts anderes, als dass für freiheitsbeschränkende und andere Maßnahmen weder eine konkrete Tat, noch zumindest ein gut begründeter Verdacht vorliegen muss, sondern allein eine Prognose, die die Polizei praktischerweise gleich selbst stellen darf.