Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Repression gegen migrantische Aktivist_innen.
Ihr könnt die Zeitung im Bahnhofsbuchhandel kaufen oder im Literaturvertrieb bestellen. Mitglieder bekommen die Zeitung zugeschickt.
Außerdem ist sie wie alle Ausgaben seit 3/2011 auch als PDF-Download verfügbar.
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Im Zuge der Corona-Pandemie wird heute über eine bundesweite so genannte Ausgangssperre diskutiert und in Bayern und dem Saarland sogar schon verhängt. In allen Bundesländern werden bereits zuvor weitgehende Beschränkungen erlassen, die sich täglich ändern. Zentrale Grund- und Bürger*innenrechte wie beispielsweise die Versammlungs- und Bewegungsfreiheit wurden in den letzten Wochen außer Kraft gesetzt, die Entscheidungsbefugnisse der Parlamente ausgeschaltet. Erschreckend dabei ist zudem, dass es absolut unklar ist, wie lange dieser faktische Ausnahmezustand anhält – und ob die Regierung die Absicht hat, demokratische Rechte nach dem Abklingen der Pandemie wieder in vollem Umfang herzustellen. Es ist zu befürchten, dass die jetzige Situation schamlos genutzt wird, um elementare Freiheiten dauerhaft zu beschneiden, mühselig erkämpfte Rechte abzuschaffen und den autoritären Sicherheitsstaat weiter auszubauen, indem beispielsweise der Bundeswehreinsatz im Inneren als Normalität etabliert wird. Die Ausgangssperre stellt in dieser Situation nochmals einen neuen Höhepunkt dar.
Der 18. März wird seit fast hundert Jahren als Tag der politischen Gefangenen begangen und ist bundesweit und international verbunden mit zahllosen Kundgebungen, Vorträgen und anderen Aktivitäten. Nicht so in diesem Jahr: durch die Corona-Epidemie fallen Veranstaltungen aus, auch wenn es zahllose dezentrale Solidaritätsaktionen wie Briefe an die inhaftierten Genoss*innen gibt sowie Veröffentlichungen, die die sofortige Freiheit für alle politischen Gefangenen weltweit fordern.
Und tatsächlich gibt es gerade jetzt noch weitere dringende Gründe, sie umgehend freizulassen: Die Situation in den eng belegten Gefängnissen stellt eine massive Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit dar. Während einige Bundesländer auf die Problematik mit dem umfassenden Abbau der ohnehin minimalen Gefangenenrechte reagieren, indem Besuche von Angehörigen und teilweise selbst von Anwält*innen unterbunden und weitere Schikanen gegen die Inhaftierten verhängt werden, gibt es in einer wachsenden Zahl von Bundesländern positive Signale: So schieben – dem Beispiel Berlins folgend – immer mehr Landesregierungen die Haftantrittstermine auf und setzen den Vollzug von geringen Haftstrafen für die nächsten Monate aus.
Im fragwürdigen „Münchener Kommunistenprozess“ kommt es zu einer Gefährdung der Prozessteilnehmer*innen und der Allgemeinheit. In dem Verfahren stehen seit Juni 2016 zehn angebliche Mitglieder der Kommunistischen Partei der Türkei/ML (TKP/ML), darunter ein Nürnberger Ärztepaar, wegen Bildung einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor Gericht. Der zuständige Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts (OLG) München will trotz der Corona-Pandemie noch nicht einmal für kurze Zeit das Massenverfahren mit mehr als 50 Personen, die aus dem ganzen Bundesgebiet anreisen, unterbrechen.
Diese Entscheidung setzt mehrere Personen aus Risikogruppen einer Ansteckungsgefahr aus und schafft aufgrund der weiten Reisewege die Gefahr neuer, unkontrollierbarer Infektionsketten. Gerade um diese zu verhindern, steht derzeit fast das gesamte Land still – mit großen wirtschaftlichen Schäden. Dabei ignoriert das Gericht alle Maßnahmen die von der Bundes- und Landesregierung zur Eindämmung der Pandemie und damit zum Schutz von Leib und Leben der Bevölkerung beschlossen werden.
Deshalb ist aus Sicht der Verteidigung die Fortsetzung des Verfahrens in der derzeitigen Situation unverantwortlich:
– Die Hauptverhandlung findet im Saal 101 des OLG München statt. Regelmäßig sind in dem Großverfahren inklusive Dolmetscher und Wachpersonal mehr als 56 Personen auf engstem Raum anwesend.
– Der größte Teil der zehn Angeklagten, zwanzig Verteidiger*innen und zehn Vertrauensdolmetscher*innen reist zu jedem Prozesstag durch das gesamte Bundesgebiet per Bahn bzw. Flugzeug an. (Die Zahlen stellen sich wie folgt dar: 1 Haft in München, 8 NRW, 7 Hessen, 6 Nürnberg, 6 Berlin, 6 Baden-Württemberg, 1 Schleswig-Holstein, 1 Hamburg, 3 Ausland).
– Drei der Angeklagten müssen jeweils aus dem Ausland anreisen (Schweiz, Liechtenstein und Frankreich).
– Ein Teil der Angeklagten, wie auch der Verteidiger gehört im Falle einer Erkrankung mit COVID-19 zur (Hoch)risikogruppe, aus Altersgründen, aus Gründen – teils erheblicher – Vorerkrankungen und aus Gründen aktueller schwerwiegender Erkrankungen bzw. deren Nachwirkungen, die während der enorm langen Verfahrensdauer aufgetreten sind.
– Die Angeklagten werden beim Betreten des Gerichtsgebäudes jeweils durch einen Justizvollzugsbeamten mit direktem Körperkontakt durchsucht.
– Die Verhandlung findet im Strafjustizzentrum München statt, das jeden Tag von mehr als 1.000 Personen betreten wird.
Am Montag den 16.03.2020 erreichte die Verteidiger die Entscheidung des Vorsitzenden des 7. Strafsenats, Dr. Dauster, dass am Mittwoch, den 18. März 2020, sowie noch vor der Osterpause am 23., 24., 30., 31. März 2020 und am 1. April 2020 verhandelt werden soll. In der Begründung heißt es, dass der Senat „das Risiko für die Verfahrensbeteiligten aufgrund der Corona-Pandemie“ mit dem Strafverfolgungsinteresse des Staates, dem Beschleunigungsgebot und dem Recht der Angeklagten auf ein zügiges Verfahren“ abgewogen habe. Er kommt dabei zu dem Ergebnis, dass am Mittwoch und den Folgetermin die Teilnahmen an der Verhandlung zumutbar sei.
In den vergangenen fünf Monaten hat die Rote Hilfe e.v. die bundesweite Kampagne „Solidarität verbindet“ durchgeführt. Ziel der Kampagne war es, der gesamten Linken und interessierten Öffentlichkeit die Kernarbeit des Vereins näher zu bringen, der seit über 40 Jahren Aktivist*innen mit Rat und Tat zur Seite steht, die von staatlicher Repression betroffen sind.
Die Vermittlung von solidarischen Anwält*innen sowie politische und finanzielle Unterstützung gehören zur Alltagsarbeit der Roten Hilfe e.V., die sie in über 50 Ortsgruppen leistet. Daneben tritt der Verein mit Öffentlichkeitsarbeit gegen Gesetzesverschärfungen wie bei den NoPolG-Kampagnen und für die Verteidigung hart erkämpfter politischer Grundrechte in Erscheinung. Kompromisslos streitet die Solidaritätsorganisation für die Freilassung der politischen Gefangenen in der BRD wie auf der ganzen Welt.
„Ein Solidaritätsverein für alle Linken zu sein und strömungsübergreifende kollektive Gegenwehr im Fall von staatlichen Angriffen leisten zu können – diesen Anspruch wollten wir öffentlich herausstellen, und ich denke, das ist uns sehr gut gelungen“, bilanziert Anja Sommerfeld, Mitglied im Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V., den Verlauf der Kampagne.
„Wir sind mit vielen Initiativen neu ins Gespräch gekommen oder konnten die Zusammenarbeit vertiefen. Positiv ist auch, dass die große Mehrheit unserer lokalen Gruppen sich aktiv beteiligt und eigene Akzente gesetzt haben. Von Demonstrationen über thematisch breit gefächerte Diskussionsabende bis zum Kneipenquiz unter dem Kampagnenmotto war alles mit dabei. Mehrere hundert Vereinseintritte sorgen dafür, dass die Kampagne sich auch finanziell nahezu selbst trägt.
Ein paar Vorhaben konnten noch nicht umgesetzt werden, aber wir behalten die Ideen für unsere zukünftige Arbeit im Hinterkopf. Wir möchten uns bei allen Aktivist*innen bedanken, die sich auf unterschiedlichste Weise eingebracht haben. Nun widmen wir uns in den zwei nächsten Wochen unseren Aktivitäten rund um den 18. März, den Aktionstag für die Freilassung aller politischen Gefangenen, und rufen zur Beteiligung an den zahlreichen Aktivitäten auf.“
Die seit 260 Tagen im Hungerstreik befindlichen Mitglieder der linken Musikgruppe Grup Yorum, Ibrahim Gökcek und Helin Dölek, sind in der Nacht zu Mittwoch von türkischen Polizeikräften verschleppt worden und befinden sich nun im Ümraniye Krankenhaus, wo ihnen die Zwangsernährung droht, die tödliche Folgen haben kann.
Der Gesundheitszustand der Beiden ist aufgrund des langen Hungerstreiks äußerst kritisch.
Die beiden Musiker waren vor rund einem Jahr bei einer Hausdurchsuchung im Istanbuler Idil-Kulturzentrum festgenommen worden. Ihnen wird die Mitgliedschaft in der verbotenen Revolutionären Volksbefreiungspartei-/Front (DHKP-C) vorgeworfen. Bölek wurde im November 2019 freigelassen, Gökcek am 24. Februar. Beide Musiker*innen wollen ihren Hungerstreik fortsetzen, bis die Repressalien gegen die populäre linke Musikformation beendet werden.
„Wir fordern die Androhung der Zwangsernährung von Ibrahim Gökcek und Helin Dölek zurückzunehmen und ihre Forderungen zu erfüllen. Die Repressalien gegen Grup Yorum müssen unverzüglich gestoppt werden. Auch in der BRD werden Auftritte erschwert, vor kurzem wurde erstmals ein Konzert in Köln untersagt. Linke Lieder zu verbieten ist ein Angriff auf die gesamte Linke und die Freiheit der Kunst, die wir auf das Schärfste verurteilen.“, erklärt Anja Sommerfeld, Mitglied im Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.
Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Seenotrettung im Fadenkreuz.
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Ausserdem ist sie wie alle Ausgaben seit 3/2011 auch als PDF-Download verfügbar.
Am heutigen Donnerstag endete das Strafverfahren gegen Yildiz Aktaş mit einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, ausgesetzt zur Bewährung. Frau Aktaş, Kurdin und Feministin, wurde verurteilt wegen Mitgliedschaft in der PKK in Zeit von Sommer 2013 bis Ende 2014. Möglich geworden war das vor dem Kammergericht Berlin geführte Strafverfahren nur durch eine sogenannte Verfolgungsermächtigung des Justizministeriums.
Das Kammergericht folgte mit der Verurteilung nach § 129b StGB wegen Mitgliedschaft in einer „ausländische terroristischen Vereinigung“ weitgehend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Berlin. Die Verteidigung hatte Freispruch gefordert.
In deutlichen Worten kritisierte der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung die repressive Politik der Türkei gegen die kurdische Bevölkerung. Ebenso fand er bewegende Worte für die von Yildiz Aktaş in der Türkei erlittene grausame Verfolgung. Schließlich gab er an, er könne die Motivation für ihre politische Tätigkeit in Deutschland nachvollziehen und stellte vor dem Hintergrund der Situation in der Türkei die Richtigkeit der Entscheidung, eine Ermächtigung überhaupt zu erteilen, in Frage. Hierzu erklärt die Verteidigerin Rechtsanwältin von der Behrens: „Diese Verurteilung zeigt, dass die Strafverfolgung und Verurteilung von vermeintlichen PKKMitgliedern allein im Interesse des Erdoğan-Regimes erfolgt, denn die Urteilsbegründung kann die harte Freiheitsstrafe gegen Frau Aktaş von zwei Jahren nicht tragen.“ Weiter erklärte sie: „Im Interesse der Türkei wurde also Yildiz Aktaş als erste Frau nach § 129b StGB wegen Mitgliedschaft in der PKK verurteilt; eine Frau, die ihr Leben lang für den demokratischen Wandel in der Türkei, die Anerkennung der kurdischen Identität und für die Selbstbestimmungen von Frauen gekämpft hat.“
Frau Aktaş droht mit der Verurteilung auch der Entzug der Anerkennung als Asylberechtigte.
Liebe Genoss*innen,
nach dem jetzigen Stand werden die allermeisten Veranstaltungen aufgrund des Corona-Virus verschoben. Bitte erkundigt euch vor Ort bei den Veranstalter*innen!
Solidarische Grüße,
Rote Hilfe e.V. Bundesvorstand
Zum Tag der politischen Gefangenen am 18. März finden wieder zahlreiche Veranstaltungen statt.
Im Folgenden findet ihr eine erste Übersicht dieser Termine - vom Solitresen über Film und Vortrag bis zur Kundgebung und Radiosendung.
Das höchste Gericht des Bundesstaates Pennsylvania, der Pennsylvania Supreme Court (PASC), hat einen Antrag von Maureen Faulkner, der Anti-Mumia-Sprecherin der Fraternal Order of Police (FOP), angenommen. Maureen Faulkner ist die Witwe des 1981 erschossenen Polizisten Daniel Faulkner. Diese Tat wurde 1982 dem Polizeigewalt-kritischen Journalisten Mumia Abu-Jamal in einem Verfahren untergeschoben, welches u.a. von Amnesty International als "durchzogen von politischen Interessen" bezeichnet wurde und es weiter "verfehlte, die minimalen Anforderungen zur Einhaltung rechtsstaatlicher Verfahren zu garantieren"[¹].
Der PASC wolle jetzt untersuchen, ob Mumias Fall dem Bezirksstaatsanwalt Larry Krasner aus Philadelphia entzogen werden kann[²]. Bis das geklärt sei, werden alle anderen juristischen Vorgänge gestoppt, die mit Mumias Verurteilung zu tun haben. Das könnte seine Ende 2018 gewährte Revision für lange Zeit aufschieben. Begründung des PASC: Staatsanwalt Krasner sei eventuell nicht "unabhängig", weil seine Ehepartnerin früher in einer Anwaltsfirma gearbeitet habe, die den afroamerikanischen Journalisten unterstützt hat.
Krasner hat 2019 zum aller ersten Mal in der Geschichte dieses seit 1981 währenden Falles ALLE Akten an die Gegenseite übergeben. Aus diesen Akten geht u.a. hervor, dass Robert Chobert, ein Hauptbelastungszeige gegen Mumia, für Geldzahlungen von seiten der Staatsanwaltschaft im damaligen Prozess ausgesagt hat. Diese Tatsache ist momentan Gegenstand juristischer Untersuchungen und könnte Mumias Freilassung entscheidend beschleunigen.
Gegen Mashar T., der sich seit Juni 2019 in U-Haft befindet wurde am 27. Februar vor dem Oberlandesgericht in Koblenz der Prozess eröffnet.
Mashar T. war fast sieben Jahre in der Türkei inhaftiert, wo er gefoltert wurde und noch heute unter den Folgen zu leiden hat. In Deutschland ist er als politischer Flüchtling anerkannt. Im Falle einer Verurteilung droht ihm jedoch eine Rücknahme dieses Status.
Der 61-Jährige wird beschuldigt, von Anfang Mai 2018 bis zu seiner Festnahme als Kader das „PKK-Gebiet“ Mainz verantwortlich geleitet zu haben, weshalb er nun wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft in einer „ausländischen terroristischen Vereinigung“ vor Gericht steht.
Was ihm vorgeworfen wird, ist die Organisation von Spendenkampagnen und Gedenkveranstaltungen sowie an Versammlungen und Kundgebungen teilgenommen und dafür mobilisiert zu haben.
Mit diesem Prozess macht sich die deutsche Justiz zu einem Handlanger von Erdogan und seinem Unrechtssystem. Die Deutsche Presseagentur hat den Text des Gerichts unhinterfragt übernommen und verbreitet.
Der oberste Gerichtshof Belgiens hat in einem Urteil vom 28. Januar 2020 rechtskräftig festgestellt, dass es sich bei der PKK nicht um eine terroristische Gruppierung handelt, sondern um eine bewaffnete Partei in einem lang anhaltenden Konflikt.
Die Staatsanwaltschaft Koblenz ignoriert dies hartnäckig; sie zieht es vor, sich die Sichtweise der türkischen Justiz zu Eigen zu machen – ein Kniefall vor dem Diktator Erdogan.
Die Rote Hilfe Ortsgruppe Mainz fordert daher die unverzügliche Freilassung von Mashar T.