Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Repression gegen migrantische Aktivist_innen.
Ihr könnt die Zeitung im Bahnhofsbuchhandel kaufen oder im Literaturvertrieb bestellen. Mitglieder bekommen die Zeitung zugeschickt.
Außerdem ist sie wie alle Ausgaben seit 3/2011 auch als PDF-Download verfügbar.
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Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Medien und Repression.
Ihr könnt die Zeitung im Bahnhofsbuchhandel kaufen oder im Literaturvertrieb bestellen. Mitglieder bekommen die Zeitung zugeschickt.
Außerdem ist sie wie alle Ausgaben seit 3/2011 auch als PDF-Download verfügbar.
Am Donnerstag, 17. November 2022 verurteilte das Amtsgericht Cottbus zwei Klimaaktivist*innen zu vier Monaten Haft: Ava und Ralph sind bereits seit der Blockade des Braunkohlekraftwerks in Jänschwalde am 19. September 2022 in Untersuchungshaft und sollen nun für weitere zwei Monate im Gefängnis bleiben. Damit hat der staatliche Repressionsapparat die Gangart gegen Kohlegegner*innen nochmals verschärft.
Im Prozess wurde schnell deutlich, dass es dem Gericht nicht darum ging, die Abläufe der Ereignisse zu rekonstruieren und konkrete Straftatbestände zu beweisen: Der unbedingte Verurteilungswille war von Anfang an nicht zu übersehen, und selbst offensichtliche Widersprüche und sachlich falsche Angaben in Zeug*innenaussagen wurden ignoriert. Die Haftstrafen wurden letztlich wegen Störung öffentlicher Betriebe, Hausfriedensbruch, Nötigung und Sachbeschädigung verhängt. Das zehnstündige Verfahren wurde begleitet von Protesten von Unterstützer*innen vor dem Gerichtsgebäude und im Saal. Ralph und Ava werden gegen das Urteil in Berufung gehen.
Bereits die Räumung der Blockade in Jänschwalde war von massiver Polizeigewalt geprägt gewesen, und die Festgenommenen berichteten von massiven Schikanen bis hin zu nächtlichem Schlafentzug. Gegen mehrere Aktivist*innen wurden bei ihrer Freilassung groteske Meldeauflagen erlassen.
Am 3. November 2022 haben Klima-Aktivist*innen eine Hauptverkehrsstraße im Münchner Zentrum, in der Nähe des Stachus, in beiden Fahrtrichtungen blockiert und wurden von der Polizei geräumt. Die Aktion wiederholten sie wenige Stunden später. Laut Medienberichten hatten 15 Personen sich mit einer Hand an der Fahrbahn festgeklebt.
Zwölf von ihnen wurden daraufhin auf richterliche Anordnung in Gewahrsam genommen und sollen 30 Tage im Gefängnis verbringen.
Gegen die drei übrigen Blockierer*innen wurden kürzere Inhaftierungen angeordnet.
Schon am Wochenende davor waren in München Aktivist*innen der Gruppe „Scientist Rebellion“ wegen Straßenblockaden, Festklebe-Aktionen und angeblicher Beschädigung von Autos für eine Woche in Gewahrsam genommen worden.
Begründet wird dies von Seiten des Polizeipräsidiums mit der Ankündigung weiterer Sitzblockaden.
Immer wieder kommt es in einzelnen Bundesländern oder Städten zu Anwerbeversuchen des Inlandsgeheimdiensts: die Mitarbeiter*innen des so genannten Verfassungsschutzes (VS) nötigen politische Aktivist*innen, mit ihnen zusammenzuarbeiten und Informationen über Strukturen, Bewegungen und Einzelpersonen zu liefern. Dabei bekommt der Geheimdienst bisweilen offene Unterstützung durch vollkommen andere Behörden – auf mehr als fragwürdiger Rechtsgrundlage, wie ein Fall aus Frankfurt zeigt, in dem das Ordnungsamt den Betroffenen zu einem Termin bestellte.
Im September 2022 erhielt ein Frankfurter Mitglied der "Kommunistischen Organisation" überraschenderweise einen Anruf des Ordnungsamts, das ihn zu einem Termin wegen einer nicht näher erläuterten „amtlichen Angelegenheit“ einlud. Als der linke Aktivist am vereinbarten Tag die Behörde betrat, wurde er in einen Seitenraum verwiesen, in dem ihn zwei Mitarbeiter des Inlandsgeheimdiensts aufforderten, als Informant für sie tätig zu werden. Der Betroffene wies das Ansinnen entschieden zurück und beendete das Gespräch umgehend.
Knapp 41 Jahre Haft, 28 davon in der isolierten Todeszelle - geht es immer so weiter?
Am 26. Oktober fand vor dem Prozessgericht in Philadelphia eine zweistündige Anhörung zu einem neuen Antrag Mumia Abu-Jamals auf ein neues Verfahren statt. Abu-Jamal war 1982 wegen der angeblichen Ermordung eines Polizeibeamten zum Tod verurteilt worden, aber sein Todesurteil wurde 2011 aufgehoben. Amnesty International widmete seinem Fall im Jahr 2000 einen eigenen Report, in dem das Verfahren gegen ihn scharf kritisiert wurde.
Leider bestätigte auch die heutige Anhörung die damalige Schlussfolgerung Ais, laut der „zahlreiche Aspekte dieses Falles eindeutig nicht den internationalen Mindeststandards zur Sicherung fairer Verfahren entsprechen". In seinem Antrag hatte Abu-Jamal geltend gemacht, dass ein Hauptbelastungszeuge offenbar von der Staatsanwaltschaft Geld versprochen bekam, dass eine weitere Hauptbelastungszeugin von der Staatsanwaltschaft Begünstigungen bekam, und dass der Ankläger während der Geschworenenauswahl Aufzeichnungen über die ethnische Zuordnung der potentiellen Juroren machte.
Die staatlichen Repressionsorgane gehen massiv gegen die antifaschistische Bewegung vor. Immer häufiger drohen Aktivist*innen mehrjährige Haftstrafen. In Sachsen stehen seit vielen Monaten neben Lina mehrere Antifas vor Gericht.
Die Rote Hilfe e. V. protestiert entschieden gegen anhaltende Angriffe und Kriminalisierungsversuche gegen Antifas. Wir sind solidarisch mit den Genoss*innen, die wegen ihres Engagements gegen Nazis vor Gericht gezerrt werden oder andere Repressionen erdulden müssen.
Wegen der umfangreichen Aussagen eines Kronzeugen im Antifa-Ost-Verfahrens drohen aufgrund der darauf aufbauenden Konstrukte der Repressionsbehörden für die kommenden Monate und Jahre noch weitere Repressionsschläge. Den Aktivist*innen, die dadurch ins Visier von Polizei und Justiz geraten, gilt ebenfalls unsere Solidarität.
Die Rote Hilfe e.V. fordert die sofortige Freilassung von Lina und die Einstellung des Verfahrens!
Unsere politische und finanzielle Solidarität gilt hingegen nicht Vergewaltigern und Personen, die andere Formen sexualisierter Gewalt ausüben. Das muss ein Grundsatz der linken Bewegung sein und ist für uns nicht verhandelbar. Wir stehen an der Seite von denjenigen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind. Wir begrüßen Diskussionen zum Umgang mit sexualisierter Gewalt und sexistischem Verhalten auch in linken Strukturen. Diese Diskussionen sind die Grundlage dafür, sexistische Verhaltensweisen loszuwerden und einen Schutz von Betroffenen sowie den Schutz in linken Strukturen zu verbessern. Denn unser Ziel ist eine solidarische Gesellschaft, in der jede Form von Ausbeutung und Diskriminierung der Vergangenheit angehört und das Patriarchat überwunden wird.
In diesem Sinne wird die Rote Hilfe e.V. das Verfahren weiter beobachten und Solidarität organisieren.
Beweise sind nicht nötig, Gesinnung reicht: Wegen angeblicher Beteiligung an der „Stuttgarter Krawallnacht“ im 21. Juni 2020 verhängte das Amtsgericht Stuttgart zwei hohe Urteile gegen linke Aktivisten: Nachdem der erste Angeklagte am 24. Oktober 2022 zu drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden war, belief sich das Urteil gegen den zweiten Betroffenen am 26. Oktober 2022 auf drei Jahre und zwei Monaten Haft. Grundlage waren ein mehr als fragwürdiges anthropologisches Gutachten, das auf qualitativ extrem minderwertigen, teils offenbar illegalen Videoaufnahmen beruhte – und der unbedingte Verfolgungswille der Stuttgarter Justiz. Gegen beide Urteile werden Rechtsmittel eingelegt.
In der Nacht vom 20. auf den 21. Juni 2020 entlud sich die Wut über die anhaltenden polizeilichen Schikanen und rassistischen Kontrollen, von denen besonders migrantisierte und sozial benachteiligte Jugendliche betroffen waren, in der Stuttgarter Innenstadt. Bereits unmittelbar nach den Auseinandersetzungen hatte der Landesinnenminister Thomas Strobl ein hartes Vorgehen angekündigt und faktisch die Justiz aufgefordert, abschreckende Exempel zu statuieren. Zahlreiche Beteiligte waren monatelang in Untersuchungshaft und wurden zu extrem hohen Bewährungs- oder Haftstrafen verurteilt, die teilweise so offensichtlich unrechtmäßig waren, dass sie in zweiter Instanz gekippt wurden. Bei der Suche nach Gründen für die spontane „Krawallnacht“ erhoben die Repressionsorgane bald die Behauptung, dass sich Linke beteiligt hätten – und ermittelten gezielt gegen bekannte Aktivist*innen, ohne konkrete Anhaltspunkte zu haben.
Liebe Genoss*innen, liebe Kolleg*innen, liebe Freund*innen,
als Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V. freuen wir uns, heute hier mit einem Grußwort präsent sein zu dürfen. Und wir freuen uns, dass ihr seit so vielen Jahrzehnten kollektiv der staatlichen Repression trotzt und eure Rechte einfordert.
Doch zugleich sind wir wütend. Wütend, dass wir seit so vielen Jahren immer wieder aufs Neue hier stehen müssen, um gegen die Praxis der Berufsverbote zu protestieren. Dass wir immer wieder auf eine Mauer staatlicher Ignoranz stoßen, auf die Verweigerung von Entschuldigung oder gar Entschädigung.
Dass wir immer wieder aufs Neue die systematische Repression gegen politisch engagierte Berufsanfänger*innen und gegen linke Studierende thematisieren müssen: Eine staatliche Repression, die bewusst die Lebensplanung tausender junger Aktivist*innen zerstört hat, um an ihnen ein abschreckendes Exempel zu statuieren und die gesamte Bewegung einzuschüchtern.
Das Klima der Angst, das dadurch erzeugt wurde, hält bis heute an.
Und diese Angst besteht nicht völlig unbegründet: Auch wenn der Staat die klassischen Berufsverbote nicht mehr in Form und Ausmaß der 1970er-Jahre anwendet, so ist diese Maßnahme nicht komplett vom Tisch.
Die Repressionsmaschinerie gegen die Klimabewegung läuft auf Hochtouren: Seit inzwischen genau einem Monat sind drei Aktivist*innen der Blockade des Kohlekraftwerks in Jänschwalde in Haft, und gegen weitere Beteiligte wurden schikanöse Meldeauflagen verhängt. Zugleich laufen Prozesse wegen der Aktionen von Ende Gelände 2019, bei denen sogar Pressevertreter*innen und Abgeordnete kriminalisiert werden
Seit der Blockade des Braunkohlekraftwerks in Jänschwalde am 19. September 2022 sind Ava, Ralph und Carlo in Haft und befinden sich inzwischen in Luckau-Duben bzw. Cottbus-Dissenchen. Indem gegen die drei Klimaaktivist*innen eine zweimonatige Untersuchungshaft angeordnet wurde, wollen die Repressionsorgane ihren Willen brechen und sie zur Preisgabe ihrer Personalien zwingen. Zusätzlich werden die drei Gefangenen mit Schikanen überzogen: Schon unmittelbar nach der Festnahme sahen sich alle bei der Aktion Festgenommenen mit rechtswidrigen Maßnahmen konfrontiert – von der Verweigerung elementarer Rechte wie einem Anruf bei einer Vertrauensperson bis hin zu systematischem Schlafentzug. In den beiden brandenburgischen Justizvollzugsanstalten wird Ava, Carlo und Ralph veganes Essen verweigert, sodass ihnen Mangelernährung droht.
Am 1. Oktober wurden in der nordrhein-westfälischen Kleinstadt Gronau Stolpersteine für die drei Rote-Hilfe-Mitglieder Josefine Johanna Coche, Anna Coche und Frieda Emma Wicknig verlegt.
Alle drei Genossinnen waren Mitglied der KPD und im antifaschistischen Widerstand aktiv.
Nach der Machtübertragung an die NSDAP unterhielten sie enge Kontakte zur niederländischen Rode Hulp, der niederländischen Schwesterorganisation der RHD. Die drei nun geehrten Gronauerinnen brachten verfolgte Antifaschist*innen heimlich über die grüne Grenze zu den Aktivist*innen der Rode Hulp. Diese organisierte Lebensmittel, Kleidung und Übernachtungsplätze für die Emigrant*innen und unterstützte die Arbeit der illegalen RHD durch Spendensammlungen und Aufklärung über den NS-Terror.
Josefine Johanna Coche, Anna Coche und Frieda Emma Wicknig wurden 1936 von der Gestapo verhaftet und kurz darauf vor dem II. Strafsenat des OLG Hamm/Westfalen zu mehrjährigen Haftstrafen wegen Hochverrats verurteilt.
Sie überlebten die Haft und wurden nach der Befreiung als politische Verfolgte anerkannt.
Şahin Aydın, Initiator der Stolperstein-Verlegung, zeichnete zu Beginn der Veranstaltung in Anwesenheit mehrerer Ratsmitglieder der Fraktionen DIE LINKE, SPD und GAL sowie Mitgliedern der VVN-BdA die Lebens- und Widerstandsgeschichte der drei Arbeiterinnen nach.
Unter der Mitwirkung des Historikers und Vorsitzenden des deutsch-kurdischen Freundschaftsvereins Münsterland wurden in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche weitere Stolpersteine verlegt.