Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Repression gegen migrantische Aktivist_innen.
Ihr könnt die Zeitung im Bahnhofsbuchhandel kaufen oder im Literaturvertrieb bestellen. Mitglieder bekommen die Zeitung zugeschickt.
Außerdem ist sie wie alle Ausgaben seit 3/2011 auch als PDF-Download verfügbar.
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Das Bundesverfassungsgericht hat eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Verbots von linksunten.indymedia.org gescheut. In einem kürzlich veröffentlichen Beschluss sprachen sie fünf Betroffenen das Recht ab, die vom Bundesinnenministerium getroffene Entscheidung über das Verbot der Nachrichten-Plattform inhaltlich überprüfen zu lassen. Zahlreiche juristische Verbände und politische Organisationen hatten das 2017 erlassene Verbot als Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit immer wieder scharf kritisiert.
Um das seit 2008 bestehende Nachrichtenportal abzuschalten, konstruierte das Bundesinnenministerium (BMI) unter der Führung von Thomas de Maziere einen Verein, der linksunten.indymedia.org betrieben haben soll. Allein, einen solchen Verein gab es nie. Zeitgleich eröffnete die Staatsanwaltschaft Karlsruhe ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB gegen fünf mutmaßliche Betreiber*innen. Die Betroffenen wollten in mehreren Klagen gegen die Maßnahmen des Verbotsverfahrens klagen, die neben dem Verbot selbst auch die erfolgten Durchsuchungen und Beschlagnahmen bei ihnen selbst beinhalteten. Die lehnte nun auch das Bundesverfassungsgericht ab, da nur der konstruierte Verein ein Klagerecht habe. Für die Betroffenen hätte das bedeutet, sich selbst weiteren strafrechtlichen Konsequenzen auszusetzen.
Der anarchistische Gefangene Alfredo Cospito ist seit nunmehr 154 Tagen im Hungerstreik, um gegen die Isolationshaftbedingungen nach dem italienischen Artikel 41bis zu protestieren. Inzwischen hat sich sein Gesundheitszustand massiv verschlechtert, und gestern wurde eine akute Herzkrise gemeldet. Der italienische Staat lässt den politischen Gefangenen bewusst lieber sterben, als die unmenschlichen Haftbedingungen zu lockern.
Komplette Isolation von anderen Gefangenen, keine Freizeitaktivitäten, Hofgang mit extremen Einschränkungen, nur vereinzelte minimale Kontakte zur Familie und Behinderung der Kommunikation mit den Anwält*innen: Die Bedingungen des Artikel 41bis, denen rund 750 Menschen in italienischen Gefängnissen unterworfen sind, werden zurecht als Weiße Folter bezeichnet und können zudem von den Haftanstalten willkürlich weiter verschärft werden. 2007 stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fest, dass der Artikel einen klaren Bruch mit der Europäischen Menschenrechtskonvention darstelle. Schon seit Jahren wird das 41bis-Regime auch systematisch gegen politische Gefangene eingesetzt, um sie zu zermürben und zu brechen.
Liebe Genoss*innen,
in diesem Jahr setzen wir zum 18. März, dem Kampftag für die Freiheit aller politischen Gefangenen, den Fokus auf „Schikanen im Knast und Widerstand dagegen“.
Weltweit werden linke Aktivist*innen eingesperrt, weil sie sich den herrschenden kapitalistischen Zuständen widersetzen. Einmal in Haft, gibt es eine Vielzahl an Willkürmaßnahmen gegen unsere Gefangenen. Das Ziel ist überall das Gleiche: Sie sollen gequält, misshandelt und gebrochen werden, damit sie ihre politische Identität preisgeben und vom Kampf für menschenwürdige Verhältnisse ablassen.
Wir sehen es als unsere Aufgabe an, die gefangenen Genoss*innen von außen zu unterstützen und mit allen politischen Mitteln für ihre Freiheit zu kämpfen.
Politische Gefangene weltweit wehren sich seit vielen Jahrzehnten mit verschiedenen Formen von Verweigerungen und organisieren unter schwersten Bedingungen Protestaktionen. Sie bekannt zu machen und für die Forderungen unserer Genoss*innen im Knast einzustehen, ist der Grund für unsere jährlichen Aktionstage
Dies tun wir in der Hoffnung und dem Wissen, dass die Rote Hilfe wie auch andere Solidaritätsorganisationen dazu beitragen können, den Kampf für die Freiheit aller politischen Gefangenen zu verstärken.
Wir alle wissen, dass es jederzeit alle linken Organisationen, linke Intellektuelle und Künstler*innen treffen kann, wenn sie es wagen, sich zu widersetzen und öffentlich für eine alternative und solidarische Gesellschaft zu streiten.
Im bürgerlichen Diskurs hierzulande ist aktuell die Klimagerechtigkeitsbewegung der Hauptfeind.
Sitzblockaden im Klimaschutz-Kontext können heute monatelange Präventivhaft bedeuten. Unsere Antwort auf diese Repressionswelle muss aktive Solidarität mit den Betroffenen sein.
Auch wer gegen Neonazis kämpft, wird unerbittlich verfolgt und möglicherweise für Jahre eingekerkert. Ob Jo, Dy und Findus in Stuttgart oder Lina in Leipzig – wir werden nicht aufhören, die sofortige Freilassung aller Antifaschist*innen zu fordern.
Heute, am 15. März 2023, kam es zu einem erneuten Angriff der Repressionsbehörden gegen linke Aktivist*innen: In Jena und Leipzig durchsuchten maskierte Polizeibeamt*innen ab sechs Uhr morgens gleichzeitig insgesamt acht Wohnungen von Antifaschist*innen.
Die mehrstündige Razzia, bei der es zu umfangreichen Beschlagnahmungen kam, fand im Rahmen eines gemeinsamen Ermittlungsverfahrens der Generalstaatsanwaltschaft Dresden sowie der Landeskriminalämter Sachsen und Thüringen statt. Rund um die durchsuchten Gebäude waren martialische Polizeieinheiten im Einsatz, die in Leipzig sogar mit Maschinenpistolen bewaffnet waren und die Passant*innen und Beobachter*innen kontrollierten. Den sieben Betroffenen wird vorgeworfen, Mitte Februar an körperlichen Auseinandersetzungen mit Nazis in Budapest beteiligt gewesen zu sein. Vier weitere beschuldigte Antifaschist*innen sitzen in Ungarn in Haft.
Rund um den 18. März, den Tag der politischen Gefangenen, führen auch 2023 Ortsgruppen der Roten Hilfe e. V., andere Antirepressionsgruppen und verschiedene politische Initiativen zahlreiche Kundgebungen, Demonstrationen, Vorträge und andere Veranstaltungen durch. Einige Termine sind im Folgenden zusammengestellt.
Außerdem ist zum Tag der politischen Gefangenen wieder unsere jährliche Massenzeitung erschienen, die bundesweit verteilt wird und hier heruntergeladen werden kann.
Termine:
Montag, 13.03.2023
MAINZ
18.30 Uhr
„Feindbild Links: Das aktuelle § 129(a)-Verfahren gegen mutmaßliche Mitglieder des Roten Aufbaus in Hamburg“
Vortrag mit Betroffenen und der Soligruppe „Standhalten – Gemeint sind wir alle“
Ort: Infoladen Ella Janizek, Zanggasse 21, Mainz
Veranstaltet von: Rotes Mainz und Rote Hilfe OG Mainz
Montag, 13.03.2023
BIELEFELD
19.00 Uhr
„Ein Leben für die Freiheit: Leonard Peltier – politischer Gefangener und Aktivist des American Indian Movement“
Vortrag mit Michael Koch (Tokata – LPSG RheinMain) im Rahmen der Info-Tour zu Leonard Peltier
Ort: Bürgerwache Siegfriedplatz, Rolandstr. 16, Bielefeld
Veranstaltet von: Rote Hilfe OG Bielefeld
Dienstag, 14.03.2023
MANNHEIM
19.30 Uhr
„Politische Gefangene in der BRD: Stimmen aus dem Knast“
Vortrag zur Lage der politischen Gefangenen mit Zitaten aus ihren Briefen
Ort: Ewwe longt’s, Kobellstr. 20, Mannheim
Veranstaltet von: Rote Hilfe OG Heidelberg/Mannheim
Mittwoch, 15.03.2023
DÜSSELDORF
19.30 Uhr
„Ein Leben für die Freiheit: Leonard Peltier – politischer Gefangener und Aktivist des American Indian Movement“
Vortrag mit Michael Koch im Rahmen der Info-Tour zu Leonard Peltier
Ort: zakk, Fichtenstr. 40, Düsseldorf
Veranstaltet von: Rote Hilfe OG Düsseldorf/Neuss und Tokata – LPSG RheinMain
Sind die bayerischen Repressionsbehörden ohnehin für ihre massiven Attacken gegen linke Bewegungen bekannt, versucht die Stadt Augsburg seit Monaten, Spitzenreiterin zu werden. Einen neuen Höhepunkt der staatlichen Verfolgungsmaßnahmen stellte die mehrstündige Razzia beim Offenen Antifa-Treffen am 1. März 2023 dar, gefolgt von brutalen Polizeieinsätzen gegen die Protestdemonstration am 5. März.
Am Abend des Mittwoch, 1. März 2023 stürmten Dutzende Beamt*innen des Staatsschutz-Dezernats und der Bereitschaftspolizei mit dem Ruf „Hände hoch!“ das Augsburger Hans-Beimler-Zentrum, in dem sich das Offene Antifa-Treffen versammelt hatte. Die Aktivist*innen mussten sich ohne nähere Erklärung vor dem Gebäude einzeln kontrollieren und durchsuchen lassen; Anrufe bei Anwält*innen wurden ihnen verwehrt, technische Geräte wie Handys und Laptops beschlagnahmt.
Es folgte eine stundenlange Razzia in den Räumlichkeiten, und erst gegen Ende legte die Polizei einen Durchsuchungsbeschluss vor: Anlass des brutalen Polizeiüberfalls war ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen „gefährlichen Verbreitens personenbezogener Daten“. Konkreter Vorwurf war, dass das Offene Antifa-Treffen einen Artikel der Plattform Indymedia geteilt hatte, in dem über eine Protestaktion gegen zwei Augsburger AfD-Politiker*innen berichtet und deren Adressen genannt worden waren. Alle Anwesenden wurden in diesem Verfahren als „Zeug*innen“ geführt – Beschuldigte gibt es nicht. Die Polizei nahm zwei Personen zur Vernehmung aufs Revier mit und führte bei einem weiteren Anwesenden eine nächtliche Hausdurchsuchung durch, die im Zusammenhang mit einer Demonstration gegen die AfD in Rosenheim stand.
Am Montag wurde erstmals eine Haftstrafe ohne Bewährung gegen Klimaktivist*innen ausgesprochen, die sich aus Protest gegen die herrschende Klimapolitik auf eine Straße geklebt haben. Das Amtsgericht Heilbronn verurteilte fünf Aktivist*innen zu Geld- und Haftstrafen. Zwei von ihnen wurden zu zwei bzw. drei Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt.
Die harten Urteile sind durch das sogenannte „beschleunigte Verfahren“ ermöglicht worden. In Heilbronn wird die Eignung solcher Verfahren in einem Modellprojekt getestet. Zu Lasten der Angeklagten können Prozesse dadurch schneller mit einem Urteil beendet werden. Die Möglichkeiten, die Verteidigung selbst zu wählen, werden ebenso beschnitten wie die Aufklärung vorgelegter Beweise. Darum stehen diese Verfahren berechtigterweise in der Kritik.
Nach der Urteilsverkündung beteiligten sich die Angeklagten erneut an Klimaprotesten auf einer Straße in Heilbronn.
Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Rote Hilfe e.V. sieht politische Gründe für das Urteil. „Statt mit aller Konsequenz gegen die Erderwärmung vorzugehen, kämpft der Staat mit voller Härte gegen die, die sich den Ursachen der Klimakrise in den Weg stellen. Die Justiz wird in ihren Urteilen gegen die Klimabewegung immer enthemmter. Nachdem Klimagruppen schon als kriminelle Vereinigungen verfolgt werden, wird nun sogar zu Haftstrafen gegriffen.“
Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Politische Justiz.
Ihr könnt die Zeitung im Bahnhofsbuchhandel kaufen oder im Literaturvertrieb bestellen. Mitglieder bekommen die Zeitung zugeschickt.
Außerdem ist sie wie alle Ausgaben seit 3/2011 auch als PDF-Download verfügbar.
Am 24. Februar 2022 begann der Krieg in der Ukraine mit dem Einmarsch russischer Truppen. Seit diesem Tag leiden die Menschen inder Ukraine unter den Folgen der Invasion. Viele Menschen sind gestorben oder auf der Flucht.In Russland sind fortschrittliche Organisationen permanenter Repression ausgesetzt. Aktivist*innen, die den Krieg beim Namen nennen und dagegen protestieren, werden eingesperrt und verfolgt. In der Ukraine werden die Gegner*innen des Krieges mundtot gemacht, indem Parteien und Organisationen verboten wurden; Oppositionelle und Antimilitarist*innen werden kriminalisiert.
Die BRD macht sich durch Waffenlieferungen zur Kriegspartei. Der Krieg wird von der Bundesregierung genutzt, um die Produktion von Waffen massiv auszubauen, die von Deutschland aus in die ganze Welt geliefert werden. Weltweit werden die Wehretats erhöht, die neues Leid und Verfolgung schaffen.Bewusst dabei vergessen werden die Aktivist*innen, die sich unter Einsatz ihres Lebens gegen die Barbarei des Krieges stellen und für den Frieden einstehen.
Die schwarz-grüne Landesregierung will vor der Landtagswahl in Hessen ein eigenes Versammlungsgesetz verabschieden und damit das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit massiv einschränken. Die zweite und dritte Lesung sowie der Beschluss für das Gesetz sind für Ende März geplant.
Das geplante Gesetz beinhaltet systematische und umfassende Angriffe auf die Versammlungsfreiheit: Es legt einen deutlichen Schwerpunkt auf Gefahrenabwehr und gibt der Polizei weitgehende Möglichkeiten, die Ausübung dieses Grundrechts einzuschränken. So enthält das Gesetz unter anderem einen ausführlichen Straftatenkatalog, der der Polizei Eingriffe in Versammlungen und Demonstrationen ermöglicht – was oft zu einer Eskalation der Situation führt. Mit einer Liste von 18 Ordnungswidrigkeiten übertrumpft das Gesetz sogar noch die bayerische Gesetzgebung. Die Anmeldung von Versammlungen wird erschwert. Die Bezeichnung als „Versammlungsfreiheitsgesetz“ grenzt angesichts dessen an Satire.
Durchsuchung und Identitätsfeststellung
Schon im Vorfeld einer Demonstration soll es möglich sein, Menschen an Kontrollstellen aufzuhalten und zu durchsuchen. In besonderen Fällen ist sogar die Feststellung der Identität erlaubt. Das Recht auf Anonymität ist so nicht mehr gewährleistet. Solche repressiven Maßnahmen haben eine erhebliche abschreckende Wirkung auf Teilnehmer*innen und schränken somit das Versammlungsrecht erheblich ein.
Auch von Versammlungsanmelder*innen und Ordner*innen sollen in Zukunft mehr Daten gesammelt werden. Künftig sollen sie geprüft werden und auch als ungeeignet abgelehnt werden können.
„Wir lehnen solche versammlungsrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfungen entschieden ab“, sagt Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Rote Hilfe e.V. Es soll Menschen sogar im Vorfeld verboten werden können, an Demonstrationen teilzunehmen. Damit wird die Möglichkeit geschaffen, Personen grundsätzlich die Teilnahme an Versammlungen zu versagen und damit deren Grundrechtsausübung vollständig aufzuheben.