Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Aktion und Kunst im öffentlichen Raum.
Ihr könnt die Zeitung im Bahnhofsbuchhandel kaufen oder im Literaturvertrieb bestellen. Mitglieder bekommen die Zeitung zugeschickt.
Außerdem ist sie wie alle Ausgaben seit 3/2011 auch als PDF-Download verfügbar.
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Nachdem Ende Mai die Urteile gegen Lina E. und drei weitere Antifaschist*innen gesprochen wurden und sie zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, die noch nicht rechtskräftig sind, macht die Bundesanwaltschaft ihre Drohung wahr: Aktuell wird nach Johann G. eine Öffentlichkeitsfahndung gestartet. Auf der Webseite des BKA ist sein Foto zu sehen und entsprechende Plakate sollen nach Medienberichten an öffentlichen Plätzen wie Bahnhöfen ausgehängt werden.
Der Aktivist soll ebenfalls einer konstruierten sog. „kriminellen Vereinigung“ angehören und sich an Angriffen gegen militante Neonazis beteiligt haben.
Die Nürnberger Psychiaterin und politische Aktivistin Banu Büyukavci wurde im Juli 2020 wegen der „Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung“ nach dem umstrittenen Gesinnungsparagrafen 129b StGb verurteilt.
Über drei Jahre nach Ende des sich über Jahre hinziehenden Münchner Kommunistenprozesses gegen Mitglieder der TKP/ML droht Banu Büyükavci erneut die Ausweisung, welche vom „Landesamt für Asyl und Rückführungen“ (LfAR) erteilt wurde.
Der erste Versuch vor zwei Jahren konnte durch eine große Öffentlichkeitkampagne verhindert werden.
Banu Büyükavci hat nun gegen den skandalösen Ausweisungsbescheid Klage eingereicht. Dennoch weiß sie, wie mühsam der Kampf sein wird. Es ist möglich, dass die institutionelle Verfolgung niemals ein Ende nimmt und immer wieder ihr Bleiberecht infrage gestellt wird, weil es in der Hand deutscher Behörden liegt. Würde sie politisches Asyl in der BRD beantragen, bestünde die Gefahr, dass die Drangsalierungen durch die bundesdeutsche Verwaltung fortgesetzt werden und ihre Rechte immer wieder mit Füßen getreten werden, um das Verhältnis der BRD zum Erdogan-Regime politisch nicht zu gefährden. Entsprechende Befürchtungen teilte sie auf einer Veranstaltung in Nürnberg, wo sie das Buch „Meine Zelle war ein großer Garten - Der Fall der türkischen Ärztin und Kommunistin Banu Büyükavci“ vorstellte.
Im Nachgang einer Blockade des Kohlekraftwerks Neurath im November 2021 laufen mehrere Gerichtsverfahren gegen Aktivist*innen. Nachdem im ersten Prozess eine Haftstrafe ohne Bewährung verhängt wurde, sind für die anderen Angeklagten ebenfalls klare Gesinnungsurteile zu erwarten. Die dritte Kohlekraftgegnerin steht ab 25. September 2023 vor dem Amtsgericht Grevenbroich.
Am 5. November 2021 hatten rund 40 Klimagerechtigkeitsaktivist*innen die Gleise zum Kraftwerk Neurath in Nordrhein-Westfalen blockiert und über 14 Stunden hinweg die Kohlezufuhr verhindert. Schon die Räumung der Aktion verlief äußerst brutal: Einen der Menschen, die sich im Gleisbett einbetoniert hatten, verletzten die Einsatzkräfte durch ihr rücksichtsloses Vorgehen und verweigerten eine angemessene medizinische Versorgung. Die Polizei wandte den als „Lex Hambi“ berüchtigten neuen Passus im Landespolizeigesetz an und nahm zehn Blockierer*innen tagelang in Gewahrsam, um sie zur Preisgabe ihrer Identität zu zwingen. Acht der Kohlekraftgegner*innen saßen eine ganze Woche unter schikanösen Bedingungen in den Zellen der Polizeistation.
Vier Jahre nach den Aufständen, fünfzig Jahre nach dem Putsch. Eine Delegationsreise organisiert von der Roten Hilfe e. V. und Chilesoli.22
Am 4. September 2022 wurde in Chile in einem Referendum ein neuer progressiver Verfassungsentwurf abgelehnt, der die alte autoritär-neoliberale Verfassung der Pinochet-Diktatur ersetzen sollte. Dem Weg zur Abstimmung gingen lange Kämpfe voraus. 2019 entbrannten soziale Proteste in Chile, weil die Fahrpreise für die Metro erhöht wurden. Die tagelangen Riots wuchsen zu einem landesweiten Aufstand an, den die chilenische Regierung durch die Zustimmung zu einem verfassungsgebenden Prozess versuchte zu befrieden. Heute befinden sich die Bewegungen in einer Rekonsolidierungsphase, während die extreme Rechte sich im Aufwind befindet.
Der vierte Tag der Hauptverhandlung im aktuellen DHKP-C- Verfahren vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht (OLG) endete mit der polizeilichen Räumung des Gerichtssaales durch den vorsitzenden Richter Bachler. Dies wurde begründet mit der Verlesung einer politischen Erklärung durch die Prozessbeobachterin Eda Deniz Haydaroğlu, die sich zu diesem Zeitpunkt seit 117 Tagen im Hungerstreik befand. Die Verhandlung wurde daraufhin unterbrochen. Die 22-jährige Aktivistin bezeichnete in ihrer Erklärung das Verfahren als politischen Prozess und den Paragrafen 129b als Deckmantel für Willkür und Angriff auf demokratische Rechte. Sie forderte einen fairen Prozess, der mit der Einstellung des Verfahrens gegen Özgül Emre, Ihsan Cibelik und Serkan Küpeli enden müsse. Den drei linken Aktivist*innen wird vorgeworfen, das sogenannte Deutschland-Komitee der DHKP-C gebildet zu haben und daher Mitglieder einer „ausländischen terroristischen Vereinigung“ nach Paragraf 129b zu sein.
Wir dokumentieren die Prozesserklärung von Serkan Küpeli im Düsseldorfer DHKP-C Verfahren vom 12.07. 2023
Ich befinde mich seit dem 17. Mai 2022 – also seit genau 422 Tagen in Haft. Seit 422 Tagen bin ich meiner Freiheit beraubt. Nach 394 Tagen wurde hier, am 14. Juni 2023, die Anklageschrift vorgelesen. Es wurde dargelegt, dass gegen mich seit Jahren ermittelt wurde. Es wurde verlesen und behauptet, was ich getan haben soll, was ich gemacht haben könnte. Meinetwegen hatten sie sich sieben Jahre lang bemüht. Schließlich umfasst die Zeitspanne, für die ich angeklagt werden soll, die Jahre 2014 bis 2018. Es ist aber heute, wie jeder weiß, der 12. Juli 2023. Was war passiert, so dass Sie am frühen Morgen mein Zuhause gestürmt und mich festgenommen haben? Sie haben mich von meiner Familie weggerissen und von meiner Tochter, die gerade erst das Licht der Welt erblickt hatte, getrennt. Was war der Grund für diese Verzögerung? Haben Sie erst nach Jahren erkannt, dass ich ein gefährlicher Mensch sei? Was für eine Gefahr ging denn von mir aus? Sagen wir mal, es wäre dem so. Was soll denn die Verzögerung bedeuten? Solch eine Verzögerung deutet aber auf eine ziemlich lockere Haltung hin.
Die neue Rote Hilfe Zeitung ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe: Aktion und Kunst im öffentlichen Raum.
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Was überall nachwächst, kann nicht aufgelöst werden!
Die Macron-Regierung hat gerade einen beispiellosen Schritt zur Unterdrückung der sozialen und ökologischen Bewegung unternommen. Am 21. Juni verfügte die Regierung die Auflösung der Bewegung „Soulèvements de la Terre“ (Aufstände der Erde), die aus mehr als 140.000 Unterstützer*innen und über 150 lokalen Komitees besteht. Das Verbotsverfahren ging mit zwei beispiellosen Verhaftungswellen von mehreren Dutzend Umweltaktivist*innen in ganz Frankreich am 5. und 20. Juni einher. Der Einsatz der Terror-Abwehr-Abteilung (SDAT) führte bisher zu zwei Inhaftierungen, der massive Polizeieinsatz gegen die Bewegung führte in den letzten Monaten zu mehreren Dutzend Schwerverletzten bei Demonstrationen.
Am Mittwoch, 14. Juni 2023 beginnt vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf der §129b-Prozess gegen Özgül Emre, Serkan Küpeli und İhsan Cibelik. Ihnen wird vorgeworfen, das sog. Deutschland-Komitee der kommunistischen DHKP-C zu sein – was in den Augen der deutschen Justiz als „terroristische Vereinigung im Ausland“ verfolgt wird.
Seit über einem Jahr sitzen die drei türkischen Kommunist*innen nun in deutschen Gefängnissen: Die Journalistin Özgül Emre wurde am 16. Mai 2022 am Heidelberger Hauptbahnhof verhaftet, am Abend darauf wurden ihr Genosse Serkan Küpeli und İhsan Cibelik, ein Musiker der bekannten türkischen Band Grup Yorum, in ihren Wohnungen in Hamburg und Bochum in Untersuchungshaft genommen. Verfolgt werden die drei Aktivist*innen nach dem Gummiparagraf 129b StGB, der sich gegen „terroristische Vereinigungen im Ausland“ richtet. Alle drei sollen führende Mitglieder kommunistischen DHKP-C sein, die in der Türkei und in der BRD kriminalisiert wird.
Wie so oft bei Verfahren nach § 129b sind die konkreten „Anklagepunkte“ gegen Özgül Emre, Serkan Küpeli und İhsan Cibelik denkbar grotesk, indem es sich um vollkommen legale Alltagsaktivitäten im Rahmen politisch-kultureller Arbeit handelt. Unter anderem werden ihnen die Teilnahme an linken Sommercamps vorgeworfen sowie die Organisierung von Kundgebungen, Veranstaltungen und antirassistischen Großkonzerten mit Grup Yorum.
Wir dokunentieren im Folgenden ein Communiqué der am Wochenende rund um den Tag X inhaftierten Antifaschisten, die diesen Text in der JVA Leipzig Leinestraße gemeinsam verfasst haben:
Zusammenstehen!
Gegen die Kriminalisierung des antifaschistischen Widerstands, die Angriffe auf die Versammlungsfreiheit und die Repression gegen linke Politik!
Leipzig, das erste Juniwochenende 2023: Mit einem Großaufgebot von mehreren Tausend Beamt:innen, Hubschraubern, zehn Wasserwerfern und Räumpanzern verhindert die Polizei eine bundesweite Solidaritätsdemonstration mit den am Mittwoch zuvor in Dresden nach §129 verurteilten Antifaschist:innen.
Vorbereitet mit einem allgemeinen Versammlungsverbot und begleitet durch krasse mediale Hetze greifen Hundertschaften und Spezialeinheiten am 3. Juni dann eine Demo gegen das Versammlungsverbot an. Über 1000 Menschen werden in einem Kessel gefangen gehalten, manche ganze 11 Stunden bis 9:00 Uhr in der Frühe des Folgetages.
Bereits Freitagabend hatte die Polizei versucht diese repressive Linie in Leipzig-Connewitz durchzusetzen, war aber zum Teil am Widerstand der Menschen gescheitert.
Warum das alles? Der Staat zeigt in Leipzig nicht ohne Grund seine Zähne. Es sind die „sächsischen Verhältnisse“, aber es ist auch mehr. Genauso wie für all jene, die in Solidarität mit Lina und Ihren Genossen auf die Straße gehen, war der 3. Juni auch für die Behörden und die herrschende Politik ein wichtiges Datum.
Während die Einen – in einem Land in dem es vor Faschisten inner- und außerhalb der Behörden nur so wimmelt – die Notwendigkeit und Legitimität antifaschistischen Selbstschutzes verteidigen wollen, ging es den Anderen darum die Solidarität und die Bezugnahme auf das „Antifa-Ost-Verfahren“ anzugreifen, zu kriminalisieren und zu brechen.
Das was im Dresdner Gerichtssaal begonnen hat, sollte auf der Straße fortgesetzt werden.
Dass dieser Schuss nach hinten losgeht, beweist die große Demo am Montagabend. Gemeinsam gegen die Leipziger Verhältnisse.